Das Pharma-Kartell
nicht.
Ich setze mich auf den Stuhl, versuche es genauer zu untersuchen. Dann krame ich aus meinem Jackentaschensortiment einen kleinen Schraubendreher und begebe mich ans Werk.
Der Mechanismus ist nicht einfach, aber ich bin auch nicht ganz unerfahren. Das Feuerzeug schnappt und springt auf.
Ich brauche ein paar Sekunden, ehe mir bewusst wird, was ich da sehe, denn es fällt mir schwer, es zu glauben. Dies ist ein Feuerzeug wie alle anderen und zugleich einer dieser liebwerten Gegenstände, mit denen die Menschen einander umbringen. Man kann dutzendmal draufdrücken und seine Zigarette anstecken. Aber einmal kann man auf besondere Art draufdrücken, das Hebelchen verschieben. Und wenn man es dann wieder betätigt, fällt der Mensch vor dir tot um. Drinnen ist eine einzige Kugel, eine Spezialanfertigung. Von solchen Feuerzeugen hatte ich schon gehört, doch jetzt sehe ich zum ersten Mal eins.
Ich setzte es wieder zusammen und lege es auf seinen Platz zurück. Nachdenken will ich über diesen Fund jetzt nicht. Halb vier Uhr morgens ist nicht gerade die beste Zeit für Überlegungen über Mordfeuerzeuge und den Mann, der eins in seinem Schreibtisch gehabt hat. Und der verschwunden ist.
Ich gehe hinaus und schließe leise ab. Dann steige ich in mein Zimmer hinunter. Ich muss versuchen, noch eine Mütze voll Schlaf zu nehmen, wenigstens ein, zwei Stunden. Es muss bald hell werden, in den Bäumen hört man Vögel mit den Flügeln schlagen.
Und schon jetzt diese Schwüle…
Pension Emma
Ich erwache mit scheußlichen Kopfschmerzen – das war kein Schlaf, sondern ein Albtraum. Einer dieser bösen Träume ohne Anfang und Ende, in denen man läuft und immer wieder an dieselbe Stelle gelangt und hinausfinden muss, weil man keine Luft bekommt.
Wahrscheinlich werde ich mich daran gewöhnen, ans Klima wie an die Kopfschmerzen, doch zunächst zeichnet sich mein erster Arbeitstag in recht düsteren Farben vor mir ab. Im Übrigen ist alles an seinem Platz, und das Zimmer sieht bei Tageslicht recht passabel aus. In der Pension sind Schritte und fernes Sprechen zu hören. Unten im Garten lässt jemand ein Auto an.
Ich reiße mich zusammen, krieche aus dem Bett und beginne die kleine Tortur mit dem Rasierapparat. Aus dem Spiegel sehen mich zwei gerötete Augen unter verdächtig gedunsenen Lidern an. Das grau durchsetzte Haar vervollständigt wirkungsvoll das Bild.
Während ich verträumt mein Konterfrei betrachte, das die Züge eines alternden Lebemannes angenommen hat, versuche ich, mir den Plan für heute zurechtzulegen. Zuerst muss ich Fabre bitten, mich in das Quartierbüro zu fahren. Dort bin ich angekündigt, und es ist ratsam, zu klären, wie weit meine Vollmachten reichen. Außerdem brauche ich die Auskünfte von den Grenzübergängen, Kliniken, Pensionen und dem Leichenschauhaus. Wenn sie die zweifelhaften Lokale, Bars und Treffpunkte der Unterwelt von Al Agadir unter Beobachtung gestellt hätten, wäre das gut. Solch eine Beobachtung findet immer statt – manchmal schärfer, manchmal lässiger -, mal sehen, ob nicht etwas für mich dabei herausgekommen ist. Larcheys Foto ist sicherlich schon vervielfältigt und an die entsprechenden Leute verteilt worden. Erstens also dieses – ein recht umfangreiches Erstens.
Zweitens – in die Firma oder „Objekt“, wie sie es hier nennen. Ich muss mir Klarheit über Larcheys Arbeitsgebiet verschaffen. So ungefähr ist mir das bekannt, aber dieses Ungefähr hilft mir nicht weiter. Ich brauche Einzelheiten, Unterlagen, die jemandem hätten von Nutzen sein können. Jemandem ist ein reichlich abstrakter Begriff, genauer irgendeiner Firma, die nicht gerade gut auf das Objekt zu sprechen ist, das ihre Interessen berührt. Und noch etwas, bloß weiß ich im Moment nicht, wie ich es anpacken soll. Ich muss herausfinden, in wessen Gebiet das fällt. Denn die Pharmaunternehmen bekämpfen sich nicht immer gegenseitig. Es kommt vor, dass sie sich verständigen – das ist bisweilen billiger als der Unterhalt ganzer Kartelle und die Zahlung ungeheurer Bestechungssummen.
Drittens – mehr zu der Frage, was Larchey für ein Mensch war. Was mir Kylian Fabre erzählt hat, kann stimmen, doch ich möchte wissen, wie ihn die anderen gesehen haben. Das Feuerzeug, das mir nicht aus dem Kopf geht, passt gar nicht zum Bild des ungeselligen Einzelgängers, der in seiner Arbeit aufgeht. Und dann die Romanze mit der Frau von Alpine. Ich bin kein Puritaner, doch einem Mann in meinem
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