Das philosophische Denken im Mittelalter
sehr viel »mittelalterlicher« als Boccaccio. Das heißt: Unsere Epochenbezeichnungen, die gewiss irgendwann reale Erfahrungen des Andersseins aussprachen, können für uns nur den Charakter äußerlicher Einteilung haben, sie erwecken aber, besonders in ihrer adjektivischen Verwendung, den Anschein inhaltlicher Bestimmtheit. Sie hemmen die konkrete Forschung, und sie ermöglichen Scheindiskussionen etwa über den religiösen Charakter der Renaissance. Ich habe meine Darstellung des mittelalterlichen Denkens nicht mit Ockham oder Cusanus beendet; ich habe im einzelnen gezeigt, dass im 15. Jahrhundert wirklich Entscheidendes geschehen ist, dessen Neuheit ich nicht bestreiten kann und nicht bestreiten will, wenn ich auf den verbalen Gegensatz von »Mittelalter« und »Renaissance« nicht erst eingehe.
Im Ober- und Mittelitalien des 15. Jahrhunderts ist qualitativ Neues entstanden, überdies hat die Erfindung des Buchdrucks das Lesen und Lernen, aber auch das Selbstverständnis der Lesenden und die Ausübung von Macht verändert; aber zwischen 1080 und 1150 fand ein vergleichbarer Umbruch statt, den ich allerdings nicht als »Renaissance« bezeichnen möchte, um dieses ohnehin verbrauchte Wort nicht noch mehr durch Ausweitung zu schwächen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts zeichnete die neue Physik (Galileis und Descartes’) einen entscheidenden Trennungsstrich zum Mittelalter; das Ende dieses Jahrhunderts brachte die intensive Neuentwicklung der durch Lorenzo Valla, Machiavelli und Erasmus begründeten historischen Forschung – bei Pierre Bayle, Jean LeClerc, Richard Simon, Antonio Ludovico Muratori, bei Vico und Voltaire. Die historische Objektivierung vermehrte die Kenntnis der vorausliegenden Zeit, aber schuf auch Abstand zu ihr, den dann die Industrialisierung und die Französische Revolution weltgeschichtlich markierten.
Im Bewusstsein dieser Distanz schreibe ich die Geschichte des philosophischen Denkens von Augustin bis Machiavelli.
Erster Teil
Grundlegung
der mittelalterlichen Philosophie
Zweiter Teil
Entwicklungsstadien
der mittelalterlichen Philosophie
Dritter Teil
Die neue Zeit
Anhang
Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen
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Manitius
Manitius, M., Die lateinische Literatur des Mittelalters.
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