Das Prometheus Projekt
zweiten Mal wegnehmen. Das ergab eine explosive Mischung.
„Oh Gott“, sagte er, ohne auf den Pathologen zu achten.
„Was hast du?“, fragte Engelmann.
„Ich habe gerade versucht, mich in Sykes’ Lage zu versetzen. Und ich glaube, dass er eine tickende Zeitbombe ist.“
Engelmann starrte ihn an ohne zu verstehen.
Sehner blickte ihn an. „Seine Frau lebt.“
Engelmann verzog den Mund zu einer Grimasse und schüttelte eindringlich den Kopf. „Wer immer dir das erzählt hat, ist ein Lügner oder wusste nicht, wovon er sprach. Christina Sykes ist, warte mal, das war im September 2006 – ja genau vor zwei Jahren gestorben.“
„Was macht dich da so sicher?“
Engelmann beugte sich vor. „Weil ich ihre Leiche gesehen habe!“
„Du hast was?“
„Dr. Janson, der Chefarzt der Robert-Koch-Klinik, rief mich an jenem Abend an, um eine Obduktion durchzuführen. Christina Sykes war an den Folgen der Operation gestorben. Sykes bestand auf einer Leichenöffnung. Er wollte wissen, woranseine Frau gestorben war – verständlicherweise. Ich fuhr noch am selben Abend in die Klinik.“
Sehner runzelte die Stirn. „Warum diese Eile? Wieso ist die Leiche nicht zu dir in die Pathologie überstellt worden?“
Engelmann erklärte Sehner, dass es Dr. Janson für das Beste gehalten hatte, die Obduktion so schnell wie möglich durchzuführen, ehe Adrian Sykes auf den Gedanken käme, sich daran zu beteiligen.
„Das hätte er gemacht?“, fragte Sehner.
„Er machte sich für ihren Tod verantwortlich. Janson berichtete mir, dass Sykes ein Dickkopf ist und zudem äußerst verantwortungsbewusst. Er wäre kaum davon abzubringen gewesen. Also willigte ich ein, weil ich Janson gut kenne.“
„Und was kam dabei heraus?“
„Nichts. Ich war auf dem Weg zur Klinik, als mich ein Anruf erreichte. Ein Herr Sehner schrie nach mir, es war dringend! Übrigens stellte sich der Anruf später als falscher Alarm heraus.“
„Dann … hat ein anderer Arzt die Obduktion vorgenommen?“
Engelmann verneinte. „Im Leichenkeller des Krankenhauses brach ein Feuer aus. Und jetzt rate mal, wessen Leiche als einzige dabei verbrannte?“
Sehner wurde misstrauisch. „Das ist ein verdammt merkwürdiger Zufall. Dann hat Sykes die Leiche seiner Frau nie gesehen? Und auch sonst niemand?“
Engelmann schüttelte den Kopf. „Bis auf den Bestatter natürlich.“
„Das stinkt!“
„Edgar, ich habe die Leiche gesehen – vor dem Brand!“
„Aber du hast die Frau nicht untersucht.“
„Ich erkenne eine Tote, wenn ich sie sehe! Und Christina Sykes war mausetot!“ Engelmann lächelte dünn. „Du liest zu viele Horrorgeschichten. Die moderne Apparatemedizin ist heute so gut, dass wir das kleinste Lebenszeichen aufspüren können. Ohne sorgfältige Prüfung wandert niemand in den Leichenkeller!“
Sehner stand auf. „Lass uns ein Stück gehen.“
Engelmann steckte seine Brotdose ein und folgte ihm. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her.
„Heute Morgen habe ich Christina Sykes gesehen. Sie sah ziemlich lebendig aus.“
Engelmann schüttelte energisch den Kopf. „Unmöglich“, sagte er. „Du hast sie verwechselt.“
„Nein“, erwiderte Sehner. Er blieb stehen. “Was geht hier vor?“
Engelmann schaute ihn prüfend an. Edgar Sehner war ein sturer Hund, aber alles andere als ein Phantast. „Wenn du solche Zweifel hast, dann beantrage eine Exhumierung.“
„Ich will keinen Wirbel machen. Das könnte einige Verdächtige zu sehr aufscheuchen. Es ist mir noch zu früh.“
Engelmann kniff die Augen zusammen. Sehner brütete etwas aus. „Was denkst du?“, fragte er.
„Hast du heute Abend schon was vor?“
„Wir waren lange nicht mehr Billard spielen“, brummte Engelmann.
„Ich rufe dich an. Aber vorher muss ich noch etwas überprüfen.“
Engelmann sah dem alten Kommissar nach, wie er die Treppenhinaufstieg. Der alte Dachs hatte eine Idee, und wenn er sich einmal festgebissen hatte, ließ er nicht mehr los. Hoffentlich trat er nicht den falschen Leuten auf die Füße. Der Pathologe rieb sich seinen kahlen Schädel. Andererseits … eine kleine Extratour hatten sie schon lange nicht mehr gemacht.
Sehner klingelte kurz nach dreiundzwanzig Uhr an Engelmanns Tür. Sein Mantel schlotterte bereits um seine hagere Figur. Zusätzlich setzte er sich einen breitkrempigen Hut auf. Sehenr hatte ihn vor drei Stunden angerufen und ihn gebeten, seinen „Notfallkoffer“ bereitzustellen und sich dunkle Kleidung
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