Das Prometheus Projekt
genau an der Stelle, an der Adrian Eve vor zwei Nächten gefunden hatte, als der Wagen wurde immer langsamer. Er trug sie noch einen halben Kilometer weit, dann versagte die Maschine. Adrian lenkte den Mazda in einen Waldweg. Gemeinsam schoben sie ihn hinter einen Holzstapel, um ihn vor neugierigen Blicken zu verbergen. Sie brauchten zwanzig Minuten, um über dunkle Wege die Burg zu erreichen.
Jack erwartete sie bereits. Er saß auf der Bogenbrücke wie ein steinerner Wächter und bewachte die Zufahrt. Als seine Hundenase den vertrauten Geruch vernahm, sprang er erregt auf und preschte ihnen entgegen. Der Hund stand auf eine unheimliche Weise mit Eve in Verbindung. Sie freute wie ebenso wie Jack, fiel auf die Knie und kraulte sein Fell.
Adrian verriegelte die Haustür hinter ihnen und ließ sich erschöpft in den Ledersessel hinter seinem Schreibtisch fallen. Er hatte leichte Kopfschmerzen, seine Augen brannten vor Müdigkeit. Er war jetzt seit fast achtzehn Stunden auf den Beinen und brauchte dringend eine Pause. Doch Zeit besaßen sie am wenigsten.
DerSatz, den Eve ausgesprochen hatte, geisterte durch seinen überreizten Verstand: Wir müssen fort, er kommt! Eve? Oder Christina? War die Frau mit den dunklen Augen noch Christina Sykes? Oder etwas gänzlich anderes, etwas unvorstellbar Fremdes? Hatte sie überhaupt ein Bewusstsein, um über die Frage nachzudenken: Wer bin ich? Letztendlich unterschied die Fähigkeit, diese Frage zu beantworten, den Mensch vom Tier. Adrian entschloss sich zu einem Versuch.
„Chrissy?“, fragte er. Eve hockte auf dem Teppich und streichelte einen zufrieden hechelnden Jack.
„Christina? Bist du da?“
Sie antwortete nicht.
„Eve?“
Sie blickte auf und lächelte ihm zu.
„Du heißt doch Eve, nicht wahr?“
„Ja, Eve“, antwortete sie und fuhr fort, den Hund zu streicheln. Adrian setzte sich kerzengerade hin. Sie reagierte zum ersten Mal mit einer direkten Antwort.
„Als ich dich vor zwei Tagen fand, konntest du noch nicht sprechen. Warum kannst du es jetzt?“, fragte er.
Gelernt“, sagte sie und kraulte den Hund. „Ich habe es gelernt.“
Adrian überlegte fieberhaft. „Aber wie? Wer hat dir das beigebracht? Innerhalb eines Tages?“
Sie stand auf und kam herüber zum Schreibtisch. Jack wuffte protestierend. Eve strich mit dem Zeigefinger über den Laptop, der noch immer aufgeklappt auf der Tischplatte stand. „Da ist alles drin“, sagte sie.
Adrian starrte den Computer an und erinnerte sich an die Nacht zuvor: Die flirrenden Bilder, die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der die Programme abliefen. Zu welchen Leistungen mochte der Chip in ihrem Kopf in der Lage sein?
„ Du hast vorhin den Aufzug angehalten, nicht wahr?“
Sie kam um den Schreibtisch herum, setzte sich wie selbstverständlich auf seinen Schoß und legte den Kopf an seine Schulter. Er roch den Duft ihres Haares und spürte ihre Wärme. Noch immer brachte sie ihn bei der kleinsten Berührung aus der Fassung.
„Ja“, flüsterte sie in sein Ohr. „Sie konnten nicht hinaus, sie waren wütend – das war lustig.“
„Wer sind sie ?“
„Weiß nicht.“
„Warum hast du sie im Aufzug eingesperrt?“
„Weil sie dunkel sind.“
„Was heißt das?“
Sie gähnte. „Sie sind dunkel.“
„Du meinst, du kannst fühlen, dass sie Böses im Sinn hatte?“
„Ja, böse.“ Sie zog die Beine an und legte die Arme um seinen Hals. Offenbar wollte sie nicht über die Männer im Aufzug reden.
„Wo bist du gewesen?“
„Weiß nicht.“
„Und du bist Eve?“, fragte er.
„Mm-mm“, machte sie.
„Warst du schon immer Eve?“
„Ja. Nein. Weiß nicht.“ Sie kuschelte sich noch enger an ihn.
„Das mit dem Motor … wie hast du das gemacht?“
„Angemacht!“, murmelte sie.
Adrianschloss die Augen. So kam er nicht weiter. Es war mittlerweile zehn nach drei. Er brauchte ein paar Stunden Schlaf, um klar denken zu können. Aber dazu hatte er keine Zeit. Die Burg war der erste Platz, an dem sie nach Eve suchen würden. Darum mussten sie so schnell wie möglich verschwinden.
Eve atmete tief und ruhig und schien eingeschlafen zu sein. Adrian trug sie zur Couch im Wohnzimmer hinüber. Jack trottete hinter ihm her und legte sich wachsam zu ihren Füßen hin. Der Hund würde keinen Fremden an sie heranlassen und sofort Alarm schlagen, dessen war er sicher.
Adrian ging nach oben und durchwühlte den Arzneischrank, bis er ein Tablettenröllchen ohne Beschriftung gefunden hatte. Es stammte
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