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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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die Feuertiere zogen. »Weil nicht jeder meine Magie sehen will, deswegen. Aber ihr wollt es ja unbedingt.«
    »Ja!«
    Nairod führte den Zug aus Kindern weiter. In der Nähe der Feierlichkeit hatten viele Fensterläden offen gestanden, aus denen sich die Zuschauer hinauslehnten, aber hier brannten nicht einmal mehr Lichter in den Fenstern. Sie gelangten an eine Brücke, auf der eines der kleinen Feuertiere gelandet war. Eine armdicke Schlange wand sich um das Geländer und strahlte Hitze ab. Vier Laternen markierten die Brückenenden mit einem hellen, türkisfarbenen Licht.
    Nairod blieb stehen und zog die zitternden Hände aus seinen Jackentaschen. »Gut. Ihr wollt es ja unbedingt so haben. Wer es nicht sehen will, der kann noch weggehen.« Die Kinder sahen ihn mit unverändert neugierigen Mienen an. »Dachte ich mir«, sagte er.
    Er spreizte die Finger seiner Hand – nur eine Hand, eine Hand musste genügen – und richtete sie auf die Schlange. Noch immer schlängelte sie sich am Geländer der Brücke entlang, und die Flammen zischten. Die Magie zitterte durch Nairods Arm, kitzelte und kribbelte. Es war eine kleine Entladung, die in etwa die gleiche Kraft beanspruchte wie das Anheben eines Ziegelsteins. Er entließ sie durch die Fingerspitzen.
    Die Schlange erstarrte in der Bewegung. Es schien, als würde sie ihm den Kopf zuwenden. Die Flammen ihres Körpers flackerten, liefen ineinander, schmolzen zusammen. Die Gestalt verschob sich und zerlief, bis nur noch eine einzige Flamme übrig blieb, die an der Brücke keinen Halt mehr fand. Sie fiel hinab und verglomm langsam auf dem Weg zum Kanal. Gleichzeitig flackerten die Lichter der Brückenlaternen. Seine Hand zitterte. Der Schein der ersten Laterne wurde immer matter, bis er schließlich ganz erlosch. Die zweite und dritte Laterne verloren ihr Licht kurz nacheinander. Die eine Seite der Brücke war jetzt beinahe völlig in Dunkelheit gehüllt, und die Kinder standen im türkisfarbenen Schimmer der letzten Laterne. Die ersten drehten sich um und rannten davon. Die nächsten folgten schnell. Schließlich blieben nur noch das Bonbonmädchen und ein Junge übrig, der es eifrig an seinem Kleid zog. Als es nicht reagierte, lief er allein davon.
    Nairod atmete schwer. Das war mehr Energie gewesen, als er gedacht hatte. In der Luft hing ein Nachhall der Magie. Er senkte den Kopf, in ihm war eine Leere. »War es das, was du sehen wolltest?«
    Das türkise Licht flimmerte auf dem Gesicht des Mädchens. »Das ist also nichts?« Auch die letzte Laterne erlosch, und die Finsternis der Nacht machte aus dem Mädchen eine vage Silhouette, einen kleinen Schatten, der enttäuscht zu Boden blickte.
    »Es tut mir leid.« Nairod stützte sich auf das Brückengeländer und streckte wie zur Entschuldigung eine Hand aus. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber ich kann es nicht ändern. Nichts davon.«
    Das Mädchen verschmolz mit den Schatten der Straßen und ging davon.
    Nairod blieb zurück. Am Firmament erstrahlte das nächste Feuerwerk, ratternd und knatternd. Feuer und Blitze verdeckten die Sterne in einem hitzigen Reigen. Es war die Magie der anderen.
    Er hingegen stand in der Finsternis. Seiner Finsternis.
    2
    Wie ein Tier
    Der Bäcker stieß Raigar hart vor die Brust. Mehlstaub stob von den Händen des Mannes auf und ließ Raigar husten. Eine Faust ballte sich vor seinem Gesicht. »Kannst dich auf der Straße einquartieren. Hunde sollen in den Gassen wohnen und auf Hinterhöfen, aber bestimmt nicht in meinem Laden.« Wieder stießen ihn die Ärmchen des Bäckers zurück.
    Raigar trat freiwillig den Rückzug an und ging die Stufen hinunter. »In Ordnung. In Ordnung. Tut mir leid.« Jetzt, da er unten stand und der Bäcker oben, waren sie annähernd auf Augenhöhe.
    »Was willst du noch, Riese? Troll dich!«, rief der Mann. In einer zweiten Wolke aus Mehlstaub schlug er die Tür der Bäckerstube so fest zu, dass das Aushängeschild mit der Brezel darauf gefährlich schwankte.
    Von den unzähligen Menschen auf den Straßen der Kaiserstadt blickte nicht einer zu ihm herüber. Raigar seufzte. Er reihte sich in den Strom ein, der stadteinwärts führte.
    Pferde- und Ochsenkarren rumpelten über das Pflaster, auf einer eigens für sie angelegten Spur. Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatte es das noch nicht gegeben. Die Karren verströmten die verschiedensten Gerüche: manche den scharfen von Alkohol, andere die aromatischen Düfte der Körperwässerchen, die man sich unter

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