Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
Sie sind wahnsinnig vor Hunger.
Das Spiel ist geheim. Erzählt ihr auch nur einem Menschen davon, werden sechs Leben ausgelöscht. Erzählt ihr der Polizei davon, werden es mehr sein.
Hier ist deine Aufgabe, Spieler Frank:
Beweise deinen Mut. Begib dich sofort zur Römerbrücke, klettere auf das Geländer und balanciere darauf die 200 Meter bis zur anderen Seite der Mosel. Du musst den ganzen Weg auf dem Geländer zurücklegen. Ohne Hilfe. Du hast Zeit bis heute, 14 : 00 Uhr. Beeil dich.
Frank las den Text ein weiteres Mal und versuchte dabei zu begreifen, was dort stand. Auf dem Geländer der Römerbrücke 200 Meter über die Mosel balancieren. Das erste Leben? Sie waren vier?
Er war gerade am letzten Satz angekommen, als das Bild erlosch und der schwarze Hintergrund wieder erschien. Ohne Schrift, ohne die Uhr, nur schwarz. Frank drückte die F 5 -Taste, es tat sich nichts. Er versuchte es mit der Leertaste, auf die er mehrmals mit dem Mittelfinger tippte, dann die Entertaste … das Fenster blieb schwarz.
Frank ließ sich im Stuhl zurückfallen und schnaufte. Was war das? Ein neues Onlinespiel, bei dem die Macher in dem Bestreben, alles möglichst realitätsnah zu gestalten, über das Ziel hinausgeschossen waren? Aber warum sollte ausgerechnet er dieses Spiel testen? Oder konnte es sein – Frank wagte es kaum, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Konnte es wirklich sein, dass das alles … ernst war?
»So ein Quatsch«, sagte er laut. Irgendjemand hatte sich einen ganz blöden Scherz mit ihm erlaubt. Aber er würde sich nicht den freien Sonntag davon verderben lassen. Frank schloss den Browser, schob den Bürostuhl mit einer energischen Bewegung zurück und stand auf.
Ihr seid vier, und ihr habt sechs Spielfiguren …
»Wenn überhaupt, dann seid ihr höchstens drei«, dachte Frank, schon auf dem Weg aus seinem Büro. Nummer vier hat nämlich keine Lust auf diesen Mist.
Er hörte ein Geräusch aus der Küche und ging zu Beate, die gerade dabei war, Zwiebeln für einen Salat zu schneiden. Er umschlang sie von hinten mit den Armen, zog sie an sich und küsste sie in die Halsbeuge.
»Hey, Casanova«, sagte sie und wand sich spielerisch aus seiner Umarmung. »Keine Ablenkungsmanöver, wenn ich mit scharfen Messern hantiere.« Er gab sie frei und hob schnell die Hände. »Auf keinen Fall, am Ende schneidest du dich noch und kannst mir dann nichts Leckeres mehr zu essen machen.« Sie lachten beide, dann wandte Frank sich ab. Er bekam dieses
Spiel
nicht aus dem Kopf.
Auf der Terrasse versuchte er im Schatten des Sonnenschirms ein wenig in der Sonntagszeitung zu lesen, doch er konnte sich nicht konzentrieren, fragte sich immer wieder, wer dieser schrecklich dürre, nackte Mann auf dem Boden war und welche Rolle er bei der ganzen Sache wohl wirklich einnahm. Bis Beate sich zu ihm setzte und er sich endlich ablenken konnte.
Sie verbrachten einen gemütlichen Sonntagnachmittag zu zweit, hin und wieder schweiften Franks Gedanken zu dem, was er auf dem Monitor gesehen hatte – zu dem Mann, zu den Ratten. Doch beim Abendessen erzählte Laura dann ohne Pause von ihrem Tag im Freibad, und Frank kam nicht mehr dazu, an die Website zu denken. Erst später, als er neben Beate im Bett lag und ihren gleichmäßigen Atemzügen lauschte, hatte er wieder dieses Bild vor Augen. Doch jetzt erschien es ihm vollkommen unwirklich. Diese ausgemergelte, nackte Gestalt, die Ratten, diese …
Mutprobe
… Nein, sagte Frank sich, es ist ein Spiel, es ist nicht real. Er lag noch eine Weile wach, bis er schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
Die Sonne kündigte sich schon mit ihrem rötlich-gelben Licht am Horizont an, als Frank am Montagmorgen um kurz nach sieben die Haustür öffnete, um den
Trierischen Volksfreund
aus der Zeitungsrolle unter dem Briefkasten zu holen. Das Außenthermometer zeigte sechzehn Grad an. Frank blieb für einen Moment in der geöffneten Tür stehen und atmete ein paarmal tief durch. Es roch nach frischer Morgenluft, durchsetzt mit dem Duft erwachender Blüten. Das weckte seine Lebensgeister, und er fühlte sich schon gleich etwas besser. Die Nacht war nicht erholsam gewesen, immer wieder hatte er sich hin und her gewälzt und dem roten Display des Radioweckers im Zwanzigminutentakt dabei zugesehen, wie es den quälend langsamen Fluss der nächtlichen Zeit dokumentierte. Doch jetzt fühlte er sich besser. Mit Schwung zog er die zusammengerollte Tageszeitung aus dem Halter und hielt
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