Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
während er sich setzte. »Ich fühle mich nicht so gut.« Das war nicht gelogen. Beates Gesichtsausdruck änderte sich, aus fragend wurde sorgenvoll. »Was ist denn los? Bist du krank?«
Frank schüttelte den Kopf. Nachdem er dieses Video gesehen hatte, wollte er noch viel weniger als zuvor, dass Beate etwas von dieser ganzen Geschichte erfuhr. »Nein, schon gut, ich habe schlecht geschlafen und wieder mal Probleme mit dem Magen. Das wird bestimmt besser, wenn ich gefrühstückt habe.«
Beate bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick, nickte dann aber und wandte sich ihrem Frühstücksei zu.
Der zwanzigminütige Weg zu seinem Büro begann mit dem Anruf eines freien Mitarbeiters, der am Wochenende mit dem Geschäftsführer der Auslandsfiliale eines großen deutschen Bankinstitutes in Luxemburg auf dem Golfplatz gewesen war. Das Resultat war, dass er nun einen Termin in der Konzernzentrale in Frankfurt bekam, wo er das neue Core Banking System aus Franks Softwarefirma präsentieren sollte. Mit diesem Programm gelang es, alle Kernprozesse einer Bank abzubilden. Falls er es schaffte, die Leute dort von dem Programm zu überzeugen, konnte ein millionenschwerer Deal zustande kommen. Frank bedankte sich für die Info und legte auf. Gute Neuigkeiten, die ihn etwas aufmunterten.
Er schaltete das Radio ein, ertrug einige Sekunden lang einen fürchterlichen Hip-Hop-Song und schaltete wieder aus. Während der weiteren Fahrt konzentrierte er sich auf die Frage, was es für seine Firma langfristig bedeuten würde, wenn die Bank seine Software tatsächlich konzernweit einsetzte. Ein Auftrag in dieser Größenordnung konnte sogar dazu führen, dass er seinen Personalstamm von zwölf festen Mitarbeitern noch erweitern musste.
Als er die renovierte Stadtvilla in der Südallee erreichte, in deren Erdgeschoss die Büroräume seiner Firma untergebracht waren, hatte er die Gedanken an die Website und an den Film zumindest für den Moment aus dem Kopf. In seinem Büro angekommen, bat er seine Assistentin Sandra um einen großen, starken Kaffee und fuhr seinen PC hoch.
Nur wenige Minuten später stellte die etwas pummelige Dreißigjährige eine große Tasse auf dem Schreibtisch vor ihm ab, lächelte ihm freundlich zu und verließ das Büro.
Frank hatte gerade den ersten Schluck genommen, als sein Telefon läutete. »Da ist ein Jens Eberhard in der Leitung«, ließ ihn Sandra wissen. »Er sagt, er müsse Sie dringend sprechen, wollte mir aber nicht sagen, worum es geht. Das sei privat.« Frank saß einen Moment wie erstarrt da, den Hörer ans Ohr gepresst, und schwieg. Jens Eberhard. Wie lange war es her, dass er diesen Namen zuletzt gehört hatte? 30 Jahre? Ihre Wege hatten sich damals getrennt, kurz nachdem … diese Sache passiert war. Hier und da waren sie sich anfänglich zwar noch begegnet, in der Schule, im Schwimmbad, aber geredet hatten sie nicht mehr miteinander. Sie hatten sich nicht mehr in die Augen sehen können. Dass er sich ausgerechnet jetzt meldete, an diesem Morgen, konnte nur bedeuten, dass er … »Herr Geissler? Alles in Ordnung?«
»Ja, sicher, bitte, ähm … stellen Sie ihn durch.«
»Kleinen Moment …« Ein knackendes Geräusch war zu hören, dann war die Verbindung zu dem Anrufer offenbar hergestellt.
»Frank Geissler, guten Tag.« Frank bemerkte, wie kühl und unpersönlich er klang.
»Hallo, Frank«, antwortete eine Stimme, die er nie dem sommersprossigen Rotschopf von damals zugeordnet hätte, aber die Stimme in seiner Erinnerung war auch die eines dreizehnjährigen Jungen. Das Einzige, was sich nicht verändert hatte, war die zaghafte, fast schon vorsichtige Art, mit der Jens Wort an Wort aneinanderreihte. »Hast du …«, fuhr Jens fort und räusperte sich. »Hast du auch diese Nachricht bekommen?«
»Ja, habe ich.«
Wie geht es dir
, wäre eine Möglichkeit gewesen, das erste Gespräch nach so langer Zeit zu beginnen. Aber danach schien Jens ebenso wenig der Sinn zu stehen wie ihm selbst. »Und den Film auch?«, wollte Frank wissen.
»Ja. Du also auch. Ich hab’s geahnt. Er lag heute Morgen auf einem Stick in meinem Briefkasten. Nackter Mann, Ratten?«
Frank nickte, obwohl Jens das nicht sehen konnte. »Ja, genau. Wenn das ein Scherz sein soll, hat jemand einen verdammt abartigen Humor. Das Ganze wirkt täuschend echt.«
Eine kurze Pause entstand, bis Jens ungläubig sagte: »Was meinst du mit
täuschend echt
?«
»Na ja, das ist doch … Moment, du glaubst doch nicht, dass das,
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