Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
anpackte, binnen weniger Minuten saß er mit starrem Blick da, und seine Gedanken kreisten um die Geschehnisse der letzten Stunden. Ein Mann war bestialisch getötet worden, weil er, Frank, nicht getan hatte, was ein Irrer auf einer Webseite von ihm verlangte. Sein Verstand konnte, nein,
wollte
nicht akzeptieren, dass das wahr, real war. Frank fühlte sich wie in einer Parallelwelt, in der zwar alles genauso aussah wie in seiner Welt, aber jede Vertrautheit verloren hatte. Sein Büro, die Möbel, Schränke, Aktenordner … All diese Dinge kamen ihm vor, als blicke er sie nicht direkt an, sondern betrachte nur eine Filmaufnahme, auf der das alles zu sehen war. Als könne er diese Dinge nicht berühren, sondern würde bei dem Versuch an eine Leinwand stoßen.
Er sah alle paar Minuten auf die Uhr.
13 : 00 Uhr, die nächste Aufgabe …
Um zehn vor elf stellte Sandra ihm Manuela durch.
»Hallo, Manuela«, begrüßte Frank sie deutlich persönlicher als zuvor noch Jens. Es dauerte eine Weile, bis auch sie mit einem »Hallo« antwortete.
»Du auch?«, fragte er ohne Umschweife.
»Ja, ich auch.« Ihre Stimme erkannte er seltsamerweise sofort wieder, obwohl er auch sie zum letzten Mal mit dreizehn gesprochen hatte.
»Was sollen wir tun, Frank?« Jetzt fiel ihm auf, warum er ihre Stimme sofort erkannt hatte. Sie klang zwar weniger forsch als damals, geradezu ängstlich, aber noch immer mädchenhaft.
»Am besten wir warten bis eins und schauen, was dieser Irre dann von uns will. Hast du eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte? Wer kann das von damals wissen?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen. Nie.« Und nach einer Pause fügte sie hinzu: »Du?«
»Nein, ich auch nicht.«
»Ich habe Angst, Frank.«
»Ja, ich … das ist auch kein Wunder. Immerhin haben wir gesehen, wie ein Mensch …«
»Nein, nicht«, unterbrach sie ihn, und er verstummte.
»Ich kann den Gedanken daran nicht ertragen, und ich kann auch nicht darüber reden. Bitte.«
»Gut. Kann ich dich unter der Handynummer, die ich im Display sehe, erreichen?«
»Ja.«
»Dann warten wir ab, was da um eins kommt, und ich melde mich wieder bei dir, okay?«
»Ja, gut. Bitte melde dich, ich habe wirklich große Angst.«
Ich auch
, dachte er, sagte aber: »Ja, ich weiß, bis später« und legte auf. Es war kurz nach elf. Noch knapp zwei Stunden.
Frank klickte sich wahllos durch einige Nachrichtenseiten, las ein paar Artikel an, ohne ihren Sinn zu registrieren, und saß minutenlang vor dem Monitor, ohne zu sehen, was er anstarrte.
Schließlich gab er es auf, informierte Sandra darüber, dass er den Rest des Tages außer Haus war, und verließ um kurz nach zwölf das Büro.
Vom Auto aus rief er zu Hause an, doch es meldete sich niemand. Schließlich konnte er Beate auf dem Handy erreichen und erfuhr, dass sie sich mit einer Freundin in der Stadt in einem Café treffen wollte, dann am Nachmittag einen Zahnarzttermin hatte und anschließend zum Friseur ging. Vor vier wäre sie wohl nicht zurück. Laura hatte lange Unterricht und Chorprobe und würde sogar erst gegen halb fünf nach Hause kommen. Frank legte auf und war erleichtert, bis zum Nachmittag allein zu Hause zu sein. So würde er sich nicht verstellen müssen und konnte seine Familie aus dem Ganzen raushalten.
Es herrschte recht viel Verkehr, und als er endlich das Auto in der Doppelgarage abstellte, war es bereits zwanzig vor eins. Er benutzte nicht den direkten Durchgang von der Garage zum Haus, sondern ging außen herum und warf einen Blick in den Briefkasten. Er war leer. Frank ging ins Haus und auf geradem Wege in die Küche. Dort stand auf der Arbeitsplatte ein Körbchen, in das Beate die Post für ihn legte, wenn sie den Briefkasten geleert hatte. Auch jetzt lagen einige Briefumschläge darin, aber kein brauner Luftpolsterumschlag und auch keiner ohne Absender, wie Frank schnell feststellte. Er machte sich eine Apfelschorle, ging in sein Büro und schaltete den Monitor ein.
12 : 53 Uhr. Noch sieben Minuten. Mit fahrigen Fingern klickte er auf der Maus herum. Als die Adresse angezeigt wurde, hielt er unbewusst den Atem an, bestätigte und stieß die Luft geräuschvoll wieder aus. Als die Seite geladen war, blieb der Monitor schwarz.
12 : 55 Uhr. Zum dritten Mal betätigte er die Refresh-Taste, nichts veränderte sich. Kurz überlegte er, ob er Jens anrufen sollte. Er saß jetzt mit Sicherheit ebenso nervös vor dem Computer wie Manuela und er. Und
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