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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Karren gespannt waren.
    Der leblose Körper baumelte nun bereits seit einigen Minuten an einem der Balken des Triple Tree . Die Konstruktion des wohl berüchtigtsten Galgens im Königreich verlieh ihm diesen Namen. Drei Holzbalken waren so aneinandergefügt, dass sie von oben betrachtet ein Dreieck ergaben. So war es in Hochzeiten möglich, bis zu drei Verurteilte gleichzeitig zu richten. William Marvell, der heute als Hangman im Dienst war, schnitt nun die Leiche vom Balken. Zwei Gehilfen übergaben die sterblichen Überreste der einige Schritte entfernt wartenden Familie. Von Weinkrämpfen geschüttelt, beugte die Ehefrau sich über den leblosen Körper und umarmte ihn. Mehrere Kinder liefen um sie herum und versuchten zu verstehen, was mit ihrem Vater geschehen war.
    »Was hatte dieser Kerl verbrochen?«, fragte Newton den neben ihm sitzenden Sheriff der City of London .
    Sein Nachbar nahm eine Liste in die Hand. »Nummer sechs, richtig? Taschendiebstahl! Ein notorischer Langfinger! Es war das dritte Mal, dass er vor Gericht stand.«
    Newton nickte beifällig. »Der Taschendiebstahl ist zu einer Plage geworden. Hoffentlich schreckt das Ende dieses Unglücklichen einige andere ab.«
    »Ich bin sicher, dass da unten wieder einige Geldbörsen unfreiwillig den Besitzer wechselten, als der Mann am Balken den Tyburn Jig tanzte!«, entgegnete der Sheriff resigniert.
    Vom Balkon des Sheriffs hatte man nicht nur den besten Blick auf die Hinrichtungsstätte, man ersparte sich auch das große Gedrängel, das um den Galgen herum herrschte. Die von Tyburns Einwohnern errichteten Zuschauerbänke boten Platz für Tausende von Besuchern aus dem nahen London. Mit den zwei Schillingen Eintritt pro Person, die für einen der guten Plätze zu entrichten waren, verdienten sich die Bewohner des kleinen Dorfes vor den Toren der Stadt ein gutes Zubrot. Diejenigen, die sich das Privileg eines Sitzplatzes nicht leisten konnten, ergatterten einen der Stehplätze, die jedoch keineswegs freie Sicht auf das Geschehen verbürgten. Dafür hatten sich die Stehplätze in der Vergangenheit als sicherer erwiesen. Im letzten Jahr war wieder eine der schlampig aus Holz zusammengezimmerten Tribünen unter der Last der Schaulustigen zusammengebrochen und hatte viele der zahlenden Gäste unter sich begraben. Einige waren dabei zu Tode gekommen. Daher wählten heute selbst Adelige, die sich einen der Plätze auf den Sitzbänken hätten leisten können, einen der Stehplätze und standen so Schulter an Schulter mit dem Pöbel. Böse Zungen behaupteten, dass die Tribünen von Taschendieben angesägt worden waren, um die Reichen von dort künftig fernzuhalten und sie in ihre Mitte zu locken.
    Mit diesen Sorgen hatte Sir Isaac Newton oben auf dem Balkon nichts zu schaffen.
    »Wer ist der Nächste?«, erkundigte sich Edward Brand. Er entstammte einer der reichsten Familien der Insel. Obwohl er mit der Wissenschaft nur wenig zu schaffen hatte, war er ein Mitglied der Royal Society. Für Newtons Vorhaben war er aufgrund der finanziellen Mittel, die ihm zur Verfügung standen, genau der richtige Mann.
    »Die Nummer sieben ist Ferdinando Marquis de Paleotti«, las der Sheriff umständlich von seinem Blatt ab.
    »Ein Italiener – und dazu noch ein Marquis!«, stellte Newton erstaunt fest. »Wie kommt es, dass sein Leben ausgerechnet hier in Tyburn endet?«
    »Er ist der Bruder der Ehefrau des Duke of Shrewsbury«, erläuterte der Sheriff. »Er ist ein notorischer Spieler. Ich selbst habe einmal am Spieltisch beim Whist gegen ihn eine beträchtliche Summe gewonnen, die er mir noch heute schuldig ist. Seine Schwester hat ihn mehr als einmal aus der Bredouille gerettet. Irgendwann hat der Duke es nicht mehr geduldet. Schaut, dort hinten fährt er ein!«
    Der Sheriff deutete auf einen Ochsenwagen, der sich dem Galgen von Westen aus näherte. Auf ihm stand der Marquis. Seine Bekleidung war tadellos. Über weißen Strumpfhosen trug er einen weinroten Rock; um den Hals hatte er ein schneeweißes Tuch. Seine Hände waren an den Gelenken und Ellbogen so gefesselt, dass es ihm immer noch möglich war, die Hände zum Gebet zu falten.
    »Seine Schwester muss ihm wenigstens anständige Kleider für die Hinrichtung ins Gefängnis gebracht haben!«, kommentierte der Sheriff mit zufriedener Miene das Erscheinungsbild des Adeligen.
    »Er wird wegen seiner Spielsucht gehangen?«, fragte Newton verwundert.
    »Aber nein!«, entgegnete der Sheriff. »Habt Ihr nicht davon gehört? Er

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