Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
es wäre sehr wichtig, wenn wir sofort mithilfe eines Ihrer Anwälte ein Patent anmelden könnten!«
»Ein Notfall?«, fragte sie misstrauisch, und ihre Augen wanderten von einem zum anderen. Vermutlich war es ihr noch niemals in den Sinn gekommen, dass eine Patentanmeldung ein Notfall sein könnte.
»Es geht quasi um Leben und Tod!«, rief ich.
»Um Leben und Tod?«, wiederholte sie irritiert. Dann machte sie eine kurze Pause. Sie schien zu überlegen. »Ich schlage vor, Sie lassen mir eine Telefonnummer hier, unter der man Sie erreichen kann, und wenn einer der Herren Patentanwälte frei ist, ruft er sie zwecks Terminvereinbarung zurück. Ich höre!« Sie beugte sich vor, nahm einen Stift in die Hand und schaute mich an.
Langsam wurde ich ärgerlich. »Hören Sie, ich verstehe, dass Sie unser Anliegen verwundert. Aber ich bitte darum, nur kurz mit einem Ihrer Patentanwälte zu sprechen!«
Sie richtete sich langsam auf und griff zum Telefonhörer. »Wenn Sie Probleme machen, rufe ich die Polizei!«
Ich legte genervt den Kopf zur Seite.
Plötzlich mischte sich Scheffler ein. »Vielleicht überzeugt Sie dies, uns zu einem der Patentanwälte vorzulassen, und zwar nicht zu irgendeinem, sondern zum besten, den Sie haben.«
Ich zuckte zusammen, als er in seine große Tasche griff und etwas auf den Tresen vor sich legte. Statt eines Gewehrs oder einer Handgranate, wie ich befürchtet hatte, lag dort nun ein Bündel Geldscheine.
»Das sind zehntausend Euro in bar als Anzahlung«, erklärte Scheffler auf den fragenden Blick der Empfangsdame hin.
Sie griff augenblicklich zum Telefon. »Herr Dr. Fürstenrieth, hier sind Mandanten für Sie«, sagte sie leise in den Hörer.
Scheffler nickte mir triumphierend zu.
108
Cassel, 1718
Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und betrachtete mit geöffnetem Mund die Decke über sich.
»Das Bild ist mir eines der liebsten«, erklang eine Stimme hinter ihm. Er fuhr herum und sah den Landgrafen, der gerade sein Audienzgemach betrat.
»Eure Durchlaucht«, begrüßte er ihn und machte eine tiefe Verbeugung.
»Schon gut«, entgegnete der Landgraf. »Das Deckengemälde hat der große Maler Franz Ludwig Raff in meinem Auftrage erstellt. Gefällt es Euch?«
»Ich finde, Deckengemälde haben etwas Göttliches«, antwortete der klein gewachsene Mann. »Wie viele Eurer Besucher haben hier gestanden, wo ich nun stehe, und nicht bemerkt, welche Schönheit sich über ihnen wölbt, welche Vollkommenheit von dort oben auf sie herabblickt. Hat man es aber einmal entdeckt, dann mag man den Blick nicht mehr abwenden und möchte sich immer wieder seiner Perfektion versichern.«
Der Landgraf blickte nun auch nach oben und betrachtete das Bild. »So habe ich es noch nie gesehen«, sagte er sichtlich beeindruckt. Schließlich löste er seinen Blick und setzte sich auf seinen mit rotem Samt bezogenen Lehnstuhl. »Wilhelm Schwander, gebürtig in Duderstadt, richtig?«, fragte er.
Sein Gegenüber nickte.
»Der Anlass, weshalb ich Euch zu mir kommen ließ, ist ein erfreulicher«, fuhr der Landgraf fort. Der Audienzgast stand nun etwa zwei Schrittlängen vor ihm und schaute ihn gespannt an. »Keiner meiner Staatsdiener hat in den vergangenen Jahren derart viele Beförderungen erhalten wie Ihr. Zunächst einfacher Wachmann, dann Profos, danach Beförderung zum Oberen Polizeidiener.« Der Landgraf gab einem der Lakaien ein Zeichen, worauf dieser ihm einige Papiere überreichte. »Ich habe hier eine Aufstellung. Auf Euren Einsatz gehen demnach allein in den letzten Monaten einhundertdreizehn Arreste, darunter sieben Delikte gegen den Körper und die Gesundheit, drei wegen Mundraubs, fünf wegen Fahnenflucht, einunddreißig wegen Taschendiebstahls, dreißig Kassierungen wegen Wegelagerei, siebzehn wegen anderer Vergehen und ganze zwanzig wegen Betrugs. Mir war nicht klar, dass der Betrug in unserer Stadt so verbreitet ist.«
»Betrügerische Gastwirte und Lebensmittelfälscher findet Ihr allenthalben«, entgegnete Schwander. »Gestern nahmen wir auf dem Markt einen Fischhändler in Gewahrsam, der seine verdorbene Ware in Algen einschlug, damit sie frisch wirkte. Und dann haben wir die Beutelschneider, und am schlimmsten sind die Scharlatane. Betrug ist die liederlichste Form des Verbrechens!«
»Schlimmer als Raub und Mord oder Fahnenflucht?«, fragte der Landgraf skeptisch.
»Nicht diese Verbrechen, die Ihr genannt habt, haben zur Vertreibung des Menschen aus dem Paradies geführt. Nein, der
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