Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Hoffnung, dass sie wieder verschwinden würden. Vermutlich hatte er mehr Blutergüsse als je zuvor, aber Blutergüsse gingen wieder weg, und das Letzte, was er jetzt wollte, war, einer Schwester zu begegnen. Die meisten Männer hätten sich gegen den Sturz gewehrt und sich glücklich schätzen können, wenn sie nur die Hälfte ihrer Knochen gebrochen hätten. Da oben hatte ihm etwas die Knöchel weggezogen. Etwas hatte ihn zwischen die Schulterblätter geschlagen. Es konnte nur eines bedeuten, so wenig Sinn es auch ergab. Er hätte gewusst, wenn jemand nahe genug gewesen wäre, um ihn zu berühren. Eine Aes Sedai hatte versucht, ihn mit der Macht zu töten.
»Lord Mandragoran!« Ein untersetzter Mann im grünen Mantel der Palastwache kam schlitternd vor ihm zum Stehen und wäre beinahe umgekippt, weil er versuchte, sich zu verbeugen, ehe er sicheren Halt hatte. »Wir haben überall nach Euch gesucht, mein Lord!«, keuchte er. »Es geht um Bukama, Euren Mann! Kommt rasch, mein Lord! Er könnte noch am Leben sein!«
Fluchend rannte Lan hinter dem Soldaten her und brüllte ihn an, schneller zu laufen, aber es war zu spät. Zu spät für den Mann, der einen Säugling getragen hatte. Zu spät für Träume.
Wachen drängten sich in einem schmalen Durchgang am Ende eines der Übungsplätze, machten aber Platz für Lan. Bukama lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, eine Blutlache hatte sich um seinen Mund herum gebildet, der schlichte Holzgriff eines Dolchs ragte aus dem dunklen Fleck auf der Rückseite seiner Jacke. In seinen offenen Augen lag ein überraschter Ausdruck. Lan kniete nieder, drückte ihm die Augen zu und murmelte ein Gebet für die letzte Umarmung der Mutter, mit der sie Bukama zu Hause willkommen hieß.
»Wer hat ihn gefunden?«, fragte er, ohne die durcheinandergerufenen Antworten wahrzunehmen. Er hoffte, Bukama würde in einer Welt wiedergeboren werden, wo der Goldene Kranich im Wind flog, die Sieben Türme nicht zerstört waren und die Tausend Seen wie ein Diadem unter der Sonne funkelten. Wie hatte er jemanden so nahe an sich herankommen lassen können, dass er das tun konnte? Bukama konnte es fühlen , wenn in seiner Nähe Stahl gezückt wurde. Nur eines stand fest. Bukama war tot, weil Lan ihn in die Ränke einer Aes Sedai hineingezogen hatte.
Er stand auf und lief. Aber nicht vor jemandem weg. Zu jemandem hin. Und es war ihm gleichgültig, wer ihn sah.
Als Moiraine das gedämpfte Krachen der Tür im Vorzimmer und die erbosten Schreie der Dienerin hörte, sprang sie aus dem Sessel, wo sie gewartet hatte. Auf alles, nur das nicht. Sie umarmte Saidar und ging durch das Wohnzimmer, aber bevor sie es durchquert hatte, wurde die Tür aufgerissen. Lan schüttelte die Frauen in Livree ab, die sich an seinen Armen festklammerten, schlug ihnen die Tür vor der Nase zu, stemmte sich mit dem Rücken dagegen und erwiderte Moiraines verblüfften Blick. Purpurne Blutergüsse verunstalteten sein ebenmäßiges Gesicht, und er bewegte sich, als wäre er verprügelt worden. Draußen herrschte Stille. Was immer er vorhatte, sie waren sicher, dass Moiraine damit fertig werden würde.
Sie wurde sich bewusst, dass sie absurderweise nach ihrem Messer am Gürtel griff. Mit der Macht konnte sie ihn einwickeln wie ein Kind, so groß er auch sein mochte, und doch … Er sah sie nicht finster an. In seinen Augen loderte ganz sicher kein Feuer. Sie wollte zurückweichen. Kein Feuer, sondern der eiskalte Tod. Der schwarze Mantel mit seinen grausamen Dornen und leuchtend goldenen Blüten passte zu ihm.
»Bukama ist tot, er hat ein Messer im Herzen«, sagte er ruhig, »und es ist keine Stunde her, da hat jemand versucht, mich mit der Einen Macht zu töten. Zuerst dachte ich, es müsse Merean sein, aber als ich sie zuletzt gesehen habe, folgte sie Iselle, und sie hatte nicht genug Zeit, es sei denn, sie hat mich bemerkt und wollte mich in Sicherheit wiegen. Nur wenige nehmen mich wahr, wenn ich nicht erblickt werden will, und ich glaube nicht, dass sie mich gesehen hat. Bleibt nur noch Ihr übrig.«
Moiraine zuckte zusammen, aber nur teilweise wegen der Gewissheit in seiner Stimme. Sie hätte wissen müssen, dass das dumme Mädchen schnurstracks zu Merean gehen würde. »Ihr wärt überrascht, wie wenig einer Schwester entgeht«, sagte sie. Besonders, wenn die Schwester von Saidar durchdrungen war. »Vielleicht hätte ich Bukama nicht bitten sollen, Merean zu beobachten. Sie ist sehr gefährlich.« Sie war eine
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