Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
feststellen, wie schnell Neuigkeiten die Runde machten. Im Wohnzimmer bot Siuan einer großen jungen Frau, die kaum älter als ein Mädchen war, ein Tablett mit Süßigkeiten an. Sie trug ein Kleid aus blassgrüner Seide, hatte volle Lippen und schwarzes Haar, das ihr bis über die Hüften reichte, und einen blauen Punkt auf der Stirn, etwa an der Stelle, wo der Stein von Moiraines Kesiera hing. Siuans Gesicht blieb unbekümmert, aber ihre Stimme klang gepresst, als sie die junge Frau vorstellte. Lady Iselle machte schnell deutlich, warum.
»Alle im Palast meinen, Ihr seid eine Aes Sedai«, sagte sie und betrachtete Moiraine zweifelnd. Sie stand nicht auf, noch weniger machte sie einen Knicks oder neigte auch nur den Kopf. »Wenn dem so ist, brauche ich Eure Unterstützung. Ich möchte zur Weißen Burg gehen. Meine Mutter wünscht, dass ich heirate. Ich hätte nichts gegen Lan als meinen Carneira , wenn meine Mutter nicht bereits seine wäre, aber wenn ich heirate, dann soll es einer meiner Behüter sein. Ich möchte eine Grüne Ajah werden.« Sie sah Siuan mit einem leichten Stirnrunzeln an. »Steh hier nicht herum, Mädchen! Geh da rüber, bis du gebraucht wirst.« Siuan stellte sich neben den Kamin, Rücken gerade, Arme unter den Brüsten verschränkt. Keine richtige Dienerin hätte sich so hingestellt – oder so die Stirn gerunzelt –, aber Iselle nahm sie nicht länger zur Kenntnis. »Setzt Euch, Moiraine«, fuhr sie mit einem Lächeln fort, »und ich werde Euch sagen, was ich von Euch will. Natürlich nur, wenn Ihr wirklich eine Aes Sedai seid.«
Moiraine starrte sie an. In ihrem eigenen Wohnzimmer wurde ihr erlaubt, sich zu setzen. Dieses törichte Kind war sicherlich eine passende Partnerin für Lan, was Arroganz betraf. Ihr Carneira? In der Alten Sprache bedeutete das »Erster«, hier aber eindeutig noch etwas anderes. Natürlich nicht, was es zu sein schien, nicht einmal die Malkieri konnten so seltsam sein! Sie setzte sich und sagte trocken: »Das Aussuchen Eurer Ajah sollte wenigstens so lange warten, bis ich Euch einer Prüfung unterzogen habe, um festzustellen, ob es einen Sinn hat, Euch zur Burg zu schicken. Ein paar Minuten werden genügen, um herauszufinden, ob Ihr die Macht lenken könnt, sowie Eure potenzielle Stärke, wenn Ihr …« Das freche Mädchen fiel ihr ins Wort.
»Oh, ich wurde dem Test schon vor Jahren unterzogen. Die Aes Sedai sagte, ich würde sehr stark werden. Ich sagte ihr, ich sei fünfzehn, aber sie fand die Wahrheit heraus. Ich verstehe nicht, warum ich nicht mit zwölf in die Burg gehen konnte, wie ich es wollte. Mutter war wütend. Sie hat immer gesagt, dass ich eines Tages Königin von Malkier sein würde, aber das würde bedeuten, Lan zu heiraten, was ich nicht will, selbst wenn meine Mutter nicht seine Carneira wäre. Wenn Ihr ihr sagt, dass Ihr mich mit zur Burg nehmt, wird sie zuhören müssen. Alle wissen, dass Aes Sedai jede Frau zur Ausbildung nehmen, die sie wollen, und niemand kann sie daran hindern.« Die vollen Lippen wurden schmollend geschürzt. »Ihr seid doch eine Aes Sedai, oder nicht?«
Moiraine führte die Übung mit der Rosenknospe durch. »Wenn Ihr nach Tar Valon wollt, dann geht. Ich habe keine Zeit, Euch zu begleiten. Dort werdet Ihr Schwestern finden, bei denen Ihr keine Zweifel haben müsst. Suki, würdet Ihr Lady Iselle hinausbegleiten? Sie möchte ihre Abreise zweifellos nicht so lange hinauszögern, bis ihre Mutter sie erwischt.«
Die Göre spielte natürlich die Gekränkte, aber Moiraine wollte sie nur noch von hinten sehen, und Siuan schubste sie fast schon hinaus, wobei jeder Schritt von einem Protest begleitet wurde.
»Die«, sagte Siuan, als sie zurückkam und ihre Hände abwischte, »wird keinen Monat durchhalten, selbst wenn sie es an Stärke mit Cadsuane aufnehmen könnte.«
»Sierin selbst kann sie von der höchsten Zinne der Burg stoßen, das ist mir gleich«, sagte Moiraine. »Hast du etwas erfahren?«
»Nun, ich habe erfahren, dass der junge Cal gut küssen kann, doch davon abgesehen habe ich bloß einen Eimer Bilgenwasser geschöpft.« Plötzlich schaute Siuan finster drein. »Was siehst du mich so an? Ich habe ihn bloß geküsst, Moiraine. Hast du keinen jungen Mann mehr geküsst wie den jungen Cormanes, seit dem Abend, bevor du zur Burg aufgebrochen bist? Nun, bei mir ist es genauso lange her, zu lange, und Cal ist sehr hübsch.«
»Das ist ja alles schön und gut«, sagte Moiraine rasch. Beim Licht, wie lange war es her,
Weitere Kostenlose Bücher