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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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den Kurzen Wegen, sondern eine willkommene, natürliche
Winterkälte, die ihnen langsam, aber stetig in die Knochen stieg.
    Er zog seinen Umhang enger um sich. Sein
Blick ruhte auf dem matten Glänzen des Tors. Neben ihm beugte sich Lan im
Sattel vor, eine Hand am Schwert. Mann und Pferd waren angespannt, als
rechneten sie damit, zurückreiten zu müssen, falls Moiraine nicht auftauchte.
    Das Tor stand in einer Geröllhalde am Fuß
eines Hügels, von Büschen verdeckt, außer an den Stellen, wo die fallenden Steinbrocken
die kahlen, braunen Äste abgebrochen hatten. Neben den Verzierungen auf den
Überresten des Zugangs wirkte das Unterholz lebloser als der Stein.
    Langsam beulte sich die rauchige
Oberfläche aus, als steige eine eigenartige, lange Blase in einem Teich hoch.
Moiraines Rücken brach durch die Blase. Unendlich langsam traten die Aes Sedai
und ihr Spiegelbild getrennt hervor. Sie hielt immer noch ihren Stab vor sich
gestreckt und ließ ihn auch dort, als sie Aldieb hinter sich aus dem Tor zog.
Die weiße Stute tänzelte mit angstvoll verdrehten Augen. Moiraine zog sich
zurück, beobachtete aber unablässig das Tor.
    Das Tor zu den Kurzen Wegen verdunkelte
sich. Das verschwommene Schimmern wurde trüber, wandelte sich von Grau zu
Anthrazit und dann zu einem so tiefen Schwarz wie im Herzen der Wege. Wie aus
großer Entfernung heulte der Wind zu ihnen herüber, versteckte Stimmen, von
einer unstillbaren Gier nach Lebendigem erfüllt, einer Gier nach Schmerz, doch
voller Enttäuschung.
    Die Stimmen schienen Rand direkt ins Ohr
zu flüstern, beinahe jenseits der Verständlichkeit und sogar innerhalb des
Verständlichen. So feines Fleisch, so fein zu
zerfetzen, die Haut zu schlitzen; Haut zum Abziehen, zum Flechten, so schön,
die Streifen zu flechten, so schön, so rot sind die fallenden Tropfen; so rot
das Blut, so rot, so süß; süße Schreie, singende Schreie, schrei dein Lied,
sing deine Schreie …
    Das Flüstern verflog, die Schwärze
lichtete sich, verblasste, und das Tor war wieder ein verschwommenes Schimmern,
das man durch einen verzierten Steinbogen hindurch sah.
    Rand atmete lang und bebend aus. Er war
nicht der Einzige, der so aufatmete. Egwene hatte Bela neben Nynaeves Pferd
treten lassen, und die beiden Frauen hatten sich in die Arme genommen und
jeweils den Kopf an die Schulter der anderen gelehnt. Selbst Lan wirkte
erleichtert, obwohl sein kantiges Gesicht nichts aussagte. Es lag mehr an der
Art, wie er auf Mandarb saß; seine Schulterpartie wirkte entspannter, als er
Moiraine ansah, der Kopf war etwas geneigt.
    Â»Er konnte nicht durchkommen«, sagte
Moiraine. »Ich dachte es mir und hoffte darauf. Pffffff!« Sie warf ihren Stab
zu Boden und wischte sich die Hände an ihrem Umhang ab. Mehr als die Hälfte des
Stabes war von dickem, schwarzem Ruß bedeckt. »Das Mal des Dunklen Königs
verdirbt alles an jenem Ort.«
    Â»Was war das?«, wollte Nynaeve wissen.
    Loial schien verwirrt. »Na, Machin Shin natürlich. Der
Schwarze Wind, der die Seelen stiehlt.«
    Â»Aber was ist das?«, bohrte Nynaeve weiter. »Selbst bei einem Trolloc
ist es doch so, dass man ihn anschauen kann und sogar berühren, wenn man keinen
schwachen Magen hat. Aber das …« Sie zitterte krampfartig.
    Â»Vielleicht etwas, das aus der Zeit des
Wahns übrig geblieben ist«, antwortete Moiraine. »Oder sogar vom Schattenkrieg
her, dem Krieg um die Macht. Etwas, das sich schon so lange in den Kurzen Wegen
versteckt gehalten hat, dass es nicht mehr herauskann. Niemand, nicht einmal
unter den Ogiern, weiß, wie weit oder wie tief die Wege tatsächlich führen. Es
könnte sogar ein Teil der Wege selbst sein. Wie Loial schon sagte, sind die
Wege lebendige Wesen, und alles, was lebt, hat auch Parasiten. Vielleicht sogar
eine Kreatur der Verderbnis, etwas, das aus dem Verfall geboren wurde. Etwas,
das Leben und Licht hasst.«
    Â»Halt!«, rief Egwene. »Ich will nichts
mehr hören! Ich konnte hören, wie es sagte …« Sie brach zitternd ab.
    Â»Es gibt noch Schlimmeres, dem wir die
Stirn bieten müssen«, sagte Moiraine sanft. Rand glaubte nicht, dass diese
Bemerkung für ihre Ohren bestimmt gewesen war.
    Die Aes Sedai kletterte erschöpft in
ihren Sattel und setzte sich mit einem dankbaren Seufzer zurecht. »Das ist
gefährlich«, sagte sie und blickte zu dem

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