Das Rad der Zeit 1. Das Original
Darüber kreisten Draghkar mit ledrigen Schwingen. Ihre Schreie
forderten den Wind heraus. Jetzt sahen ihn auch einige der Halbmenschen, deuteten
auf ihn, und Draghkar kippten ab und stürzten auf ihn herunter. Zwei. Drei.
Sechs davon stieÃen mit schrillen Schreien im Sturzflug zu ihm herunter.
Er blickte sie an. Hitze erfüllte ihn,
die brennende Hitze der Sonne, die er berührt hatte. Er konnte die Draghkar
deutlich erkennen: seelenlose Augen in blassen Menschengesichtern an
geflügelten Körpern, die nichts Menschliches an sich hatten. Schreckliche
Hitze. Funken sprühende Hitze.
Aus heiterem Himmel kamen Blitze, jeder
Einzelne kurz und scharf umrissen, fuhren ihm sengend in die Augen. Jeder Blitz
traf eine geflügelte schwarze Gestalt. Aus Jagdrufen wurden Todesschreie, und
verkohlte Gestalten fielen herab und lieÃen den Himmel wieder sauber hinter
sich zurück.
Die Hitze. Die schreckliche Hitze des
Lichts.
Er fiel auf die Knie nieder. Er glaubte,
seine Tränen auf den Wangen zischen zu hören. »Nein!« Er klammerte sich an
Büschel zähen Grases, um nicht den Kontakt mit der Wirklichkeit zu verlieren,
doch das Gras ging in Flammen auf. »Bitte, neeeeeeiin!«
Der Wind erhob sich mit seiner Stimme,
heulte mit seiner Stimme, brüllte mit seiner Stimme den Pass hinunter,
peitschte die Flammen zu einer Feuerwand hoch, die sich von ihm weg bewegte und
auf die Trollocs zu. Sie war schneller, als ein Pferd galoppieren konnte. Das
Feuer brannte sich in die Trollocs hinein, und die Berge erzitterten vor ihren
Schreien, Schreie, die fast so laut waren wie der Wind und seine Stimme.
»Das muss aufhören!«
Er schlug mit der Faust auf den Boden,
und die Erde klang auf wie ein Gong. Er schürfte sich die Hände auf steiniger
Erde auf, und die Erde bebte. Wellen rollten durch die Erde vor ihm, stiegen
immer höher, Wellen von Schmutz und Felsbrocken, die über den Trollocs und
Blassen aufragten und über sie hereinbrachen und die Berge unter ihren Hufen
und FüÃen zerschmetterten. Eine kochende Masse von Fleisch und Schutt ergoss
sich über die Trolloc-Armee. Was schlieÃlich stehen blieb, war immer noch ein
mächtiges Heer, aber nicht mehr als doppelt so groà wie das Heer der Menschen,
und alle liefen in Angst und Verwirrung durcheinander.
Der Wind legte sich. Die Schreie
erstarben. Die Erde bewegte sich nicht mehr. Staub und Rauch zogen sich zu
einer Wolke zusammen, die den Pass hinaufwirbelte und ihn umgab.
»Das Licht blende dich, Baâalzamon! Das
muss ein Ende finden!«
DAS ENDE IST NICHT HIER .
Es war nicht Rands Gedanke, der seinen
Schädel vibrieren lieÃ.
ICH WERDE NICHT EINGREIFEN. NUR DER
AUSERWÃHLTE KANN TUN, WAS GETAN WERDEN MUSS, WENN ER WILL .
»Wo?« Er wollte es nicht aussprechen,
aber er konnte sich nicht davon abhalten. »Wo?«
Der ihn umgebende Dunst lichtete sich.
Eine Kuppel klarer, reiner Luft formte sich, zehn Spannen hoch, von wogendem
Rauch und Staub umrahmt. Stufen erhoben sich vor ihm â jede davon stand frei
und ohne irgendeinen Halt â und erstreckten sich nach oben in den Dunst hinein,
der die Sonne verbarg.
NICHT HIER .
Durch den Dunst kam ein Schrei wie vom
fernen Ende der Erde her: »Das Licht wünscht es!« Der Boden grollte unter dem
Donner von Hufen, als das Herr der Menschen zum letzten Angriff ritt.
Inmitten des Nichts verfiel sein Verstand
einen Moment lang in Panik. Die angreifenden Reiter konnten ihn im Staub nicht
erkennen; sie würden vielleicht über ihn hinwegtrampeln. Der gröÃere Teil
seines Ichs ignorierte den bebenden Boden als eine nichtige Sache unter seiner
Würde. Stumpfer Zorn trieb seine FüÃe die ersten Stufen hoch. Es muss damit Schluss gemacht werden!
Dunkelheit umgab ihn â die absolute
Dunkelheit im totalen Nichts. Die Stufen waren immer noch da, hingen in der
Schwärze unter seinen FüÃen und vor ihm. Als er zurückblickte, waren die Stufen
hinter ihm weg, hatten sich im Nichts seiner Umgebung aufgelöst. Doch die
Schnur war noch da, erstreckte sich hinter ihm. Das glühende Seil wurde in der
Ferne immer dünner und verschwand schlieÃlich. Es war nicht so dick wie zuvor,
pulsierte aber immer noch, pumpte Kraft in ihn hinein, pumpte Leben, füllte ihn
mit dem Licht. Er schritt weiter hinauf.
Er schien ewig weiterzuklimmen. Ewig,
minutenlang. Die Zeit stand im Nichts still. Die Zeit lief schneller ab.
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