Das Rad der Zeit 1. Das Original
Gestrüpp von Heckenrosen, lieà abgefallene Blütenblätter hinter sich
zurück und achtete nicht darauf, ob die Dornen seine Kleider zerrissen und
vielleicht sogar seine Haut ritzten. Moiraine hatte aufgehört zu schreien. Es
schien, als hätten die Schreie eine Ewigkeit angedauert, jeder durchdringender
als der letzte, aber er wusste, dass sie nur wenige Augenblicke gedauert
hatten. Augenblicke, bevor Aginor sich an seine Fersen heftete. Er wusste, dass
Aginor ihm folgen würde. Er hatte die Gewissheit in den hohlen Augen des
Verlorenen erblickt, in dieser letzten Sekunde, bevor die Angst seine FüÃe zum
Rennen zwang.
Der Abhang wurde noch steiler, aber er
kletterte weiter, zog sich an Kräuterbüscheln hoch; Steine und Erdboden und
Blätter wurden von seinen FüÃen losgetreten und rollten den Hang hinunter.
SchlieÃlich kroch er auf Händen und Knien weiter, als es zu steil wurde. Vor
ihm â über ihm â wurde das Land etwas ebener. Schnaufend krabbelte er die
letzten paar Spannen hoch, stand auf und blieb stehen. Er hätte am liebsten ein
lautes Heulen von sich gegeben.
Zehn Schritte vor ihm brach der Hügel an
einer scharfen Kante abrupt ab. Er wusste, was er sehen würde, noch bevor er
die Kante erreichte, aber er machte trotzdem die notwendigen Schritte, einen
schwerfälliger als den anderen, in der Hoffnung, es gebe vielleicht einen Weg,
einen Ziegenpfad oder was auch immer. Oben angekommen, blickte er einen dreiÃig
Schritte tiefen Steilhang hinab, eine Steinmauer, so glatt wie abgeschliffenes
Holz.
Es muss einen Weg geben. Ich gehe zurück und
suche mir einen Weg auÃen herum. Gehe zurück und â¦
Als er sich umdrehte, war Aginor da. Er
hatte soeben den Kamm des Hügels erreicht. Der Verlorene erklomm den Hügel ohne
jede Schwierigkeit. Er schritt den steilen Abhang hinauf, als sei es ebener
Boden. Tief eingesunkene Augen in diesem Pergamentgesicht glühten ihn an.
Irgendwie schien es jetzt nicht mehr so verwittert wie vorher, ein wenig
voller, als habe Aginor gut gegessen. Diese Augen waren auf ihn gerichtet, aber
als Aginor sprach, war es mehr zu sich selbst.
»Baâalzamon versprach eine Belohnung
jenseits aller Träume sterblicher Menschen für den, der euch nach Shayol Ghul
bringt. Aber meine Träume schweiften immer schon jenseits derer anderer
Menschen, und die Sterblichkeit habe ich vor Jahrtausenden hinter mir
zurückgelassen. Welchen Unterschied macht es schon, ob ihr dem GroÃen Herrn der
Dunkelheit lebendig oder tot dient? Für die Ausbreitung des Schattens spielt
das keine Rolle. Warum sollte ich meine Macht mit euch teilen? Warum sollte ich
das Knie vor euch beugen? Ich, der in der Halle der Diener selbst Lews Therin
Telamon gegenüberstand? Ich, der meine Macht gegen den Herrn des Morgens
einsetzte und ihm Schlag für Schlag Pari bot? Ich denke, ich habe das nicht
nötig.«
Rands Mund war staubtrocken. Seine Zunge
fühlte sich so verschrumpelt an, wie Aginor aussah. Die Kante des Abgrunds
knirschte unter seinen Absätzen. Steine fielen hinunter. Er wagte es nicht,
zurückzublicken, doch er hörte, wie die Steinbrocken ein ums andere Mal von der
Steilwand zurückprallten, genau wie es mit seinem Körper geschehen würde, wenn
er sich auch nur ein paar Handbreit vorwärts bewegte. Er war sich vorher
überhaupt nicht bewusst gewesen, dass er sich vor dem Verlorenen zurückgezogen
hatte. Seine Haut prickelte, sodass er meinte, er könne sie Blasen schlagen
sehen, wenn er nur hinsah, wenn er den Blick nur von dem Verlorenen wenden
könnte. Es muss doch einen Weg geben, ihm zu
entkommen. Irgendeinen Fluchtweg! Es muss einen geben! Irgendeinen Weg!
Plötzlich fühlte er etwas, sah es auch,
obwohl er wusste, dass es gar nicht sichtbar vorhanden war. Ein glühendes Seil
ging von Aginor aus, hinter ihm, weià wie Sonnenschein, der durch eine Wolke
strahlt, schwerer als der Arm eines Schmieds, leichter als Luft, und verband
den Verlorenen mit etwas unsagbar Fernem, etwas in Reichweite von Rands Händen.
Das Seil pulsierte, und mit jedem Pulsschlag wurde Aginor stärker, sein Gesicht
voller, wurde er zu einem Mann, der genauso groà und stark war wie er selbst,
härter als ein Behüter, tödlicher als die Fäule. Doch neben dieser leuchtenden
Nabelschnur schien der Verlorene kaum bestehen zu können. Die Schnur war alles.
Sie summte. Sie sang. Sie
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