Das Rad der Zeit 1. Das Original
Er
kletterte weiter, und plötzlich stand ein Tor vor ihm, ein Tor mit rauer,
gesplitterter und alter Oberfläche, ein Tor, an das er sich nur zu gut
erinnerte. Er berührte es, und es zerbarst zu Splittern. Noch während die Teile
herabfielen, schritt er hindurch. Splitter zerschmetterten Holzes fielen von
seinen Schultern.
Auch der Raum entsprach seinen
Erinnerungen: der wahnsinnige, streifige Himmel jenseits des Balkons, die geschmolzenen
Wände, der glänzende Tisch, der furchtbare Kamin mit seinen tosenden, kalten
Flammen. Einige der Gesichter, aus denen der Kamin bestand, die sich in Folter
verzerrten und lautlos schrien, zupften an seinem Gedächtnis. Ihm war, als
kenne er sie. Doch er hielt das Nichts um sich herum fest und trieb in sich
selbst zurückgezogen in der Leere. Er war allein. Als er in den Spiegel an der
Wand blickte, konnte er dort sein Gesicht so klar erkennen, als sei er es
wirklich. Es ist Ruhe im Nichts.
»Ja«, sagte Baâalzamon von einem Platz
vor dem Kamin her, »ich dachte mir schon, dass Aginor seiner eigenen Gier zum
Opfer fallen würde. Aber letztendlich spielt das gar keine Rolle mehr. Eine
lange Suche, doch jetzt ist sie zu Ende. Du bist hier, und ich kenne dich nun.«
Mitten im Licht schwebte das Nichts, und
in der Mitte des Nichts schwebte Rand. Er fühlte nach der Erde seiner Heimat
und erfasste harten Fels, unnachgiebig und trocken, Stein ohne Mitleid, wo nur
der Starke überleben konnte, nur derjenige, der ebenso hart war wie der Fels.
»Ich bin des Rennens müde.« Er konnte selbst nicht glauben, dass seine Stimme
so ruhig klang. »Ich habe es satt, dass meine Freunde bedroht werden. Ich werde
nicht mehr weglaufen.« Auch Baâalzamon hatte eine Schnur, wie er jetzt
bemerkte. Eine schwarze Nabelschnur, weitaus dicker als seine, so dick, dass
sie einen menschlichen Körper überragt hätte, doch stattdessen wurde sie von
Baâalzamon überragt. Jeder Pulsschlag dieser schwarzen Vene fraà Licht.
»Glaubst du, es macht einen Unterschied,
ob du wegläufst oder bleibst?« Die Flammen aus Baâalzamons Mund lachten. Die
Gesichter des Kamins weinten über die Freude ihres Herrn. »Du bist schon oft
vor mir geflohen, und jedes Mal habe ich dich eingeholt und dich deinen eigenen
Stolz fressen lassen â mit erbärmlichen Tränen als Gewürz. Viele Male hast du
dich gestellt und mit mir gekämpft und bist dann besiegt vor mir gekrochen und
hast um Gnade gebettelt. Du hast die Wahl, Wurm, und nur diese eine Wahl
überhaupt: Knie vor mir nieder und diene mir gut, dann werde ich dir Macht
verleihen, oder bleibe die närrische Marionette Tar Valons und schreie, während
du zum Staub der Zeit zermalmt wirst.«
Rand trieb ein Stückchen weiter und
blickte durch die Tür zurück, als suche er nach einem Fluchtweg. Sollte das
doch der Dunkle König glauben! Jenseits der Tür befand sich immer noch die
Schwärze des Nichts, nur von dem leuchtenden Faden aus seinem Körper
unterbrochen. Und dort drauÃen war auch Baâalzamons schwerere Schnur, so
schwarz, dass sie sich vom Dunkel wie von Schnee abhob. Die beiden Schnüre
pulsierten abwechselnd wie Adern voll Herzblut, gegeneinander gerichtet, und
das Licht widerstand nur mit Mühe den Wellen von Dunkelheit.
»Es gibt noch andere Möglichkeiten«,
sagte Rand. »Das Rad webt das Muster, nicht du. Ich bin aus jeder Falle
entkommen, die du für mich gelegt hast. Ich bin deinen Blassen und Trollocs
entkommen und deinen Schattenfreunden. Ich habe dich hierher verfolgt und auf
dem Weg dein Heer zerstört. Du webst das Muster nicht.«
Baâalzamons Augen loderten wie zwei
Brennöfen. Seine Lippen bewegten sich nicht, aber Rand glaubte, einen Fluch an
die Adresse Aginors zu hören. Dann erstarben die Feuer, und dieses gewöhnliche
menschliche Gesicht lächelte ihn auf eine Art an, die ihn selbst durch die
Wärme des Lichts hindurch erschauern lieÃ. »Neue Heere können zusammengezogen
werden, du Narr. Heere, die du dir nicht erträumt hast, werden noch folgen. Und
du hättest mich verfolgt? Du Larve unter einem Felsen â mich verfolgen? Ich
fing an dem Tag an, deinen Weg zu bestimmen, als du geboren wurdest, einen Weg,
der dich in dein Grab führen würde oder hierher. Aiel, denen die Flucht
gestattet wurde, und einer sollte überleben, um die Worte auszusprechen, die ihr
Echo durch die
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