Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
in absehbarer Zeit wohl kaum näher an seinen Herrn herankommen würde. »Die Reiter, die Masema losgeschickt hat, mein Lord«, sagte er und hielt den Umhang eng um den Körper geschlungen, während er dem hinter ihm gehenden Aram einen argwöhnischen Blick zuwarf, den dieser mit einem ausdruckslosen Starren erwiderte.
»Ich weiß«, sagte Perrin, »Ihr glaubt, sie sind zu den Weißmänteln unterwegs.« Er hatte es eilig, noch weiter von seinen Freunden wegzukommen. Er legte die Hand mit den Zügeln auf den Sattelknauf, sah aber davon ab, einen Stiefel in den Steigbügel zu schieben. Traber warf voller Ungeduld den Kopf in den Nacken. »Masema könnte genauso gut den Seanchanern Botschaften schicken.«
»Wie Ihr bereits gesagt habt, mein Lord. Eine denkbare Möglichkeit, sicher. Darf ich aber noch einmal erwähnen, dass Masemas Ansichten über die Aes Sedai denen der Weißmäntel sehr ähneln? Tatsächlich stimmen sie überein. Am liebsten würde er jede Schwester tot sehen. Die seanchanische Einstellung ist da … pragmatischer, falls es mir erlaubt ist, das so auszudrücken. Auf jeden Fall stehen sie Masema nicht zu nahe.«
»Sosehr Ihr die Weißmäntel auch hasst, Meister Balwer, sie sind nicht die Wurzel allen Übels. Und Masema hatte schon seine Auseinandersetzungen mit den Seanchanern.«
»Wie Ihr meint, mein Lord.« Balwer verzog keine Miene, aber er stank nach Zweifel. Perrin konnte nicht beweisen, dass sich Masema mit den Seanchanern getroffen hatte, und jemandem zu erzählen, wie er davon erfahren hatte, würde seine derzeitigen Probleme nur noch verschlimmern. Das stellte Balwer nicht zufrieden; er war ein Mann, der gern Beweise sah. »Was die Aes Sedai und die Weisen Frauen angeht, mein Lord … Aes Sedai scheinen immer davon überzeugt zu sein, es besser als alle anderen zu wissen, ausgenommen vielleicht andere Aes Sedai. Ich glaube, die Weisen Frauen sind da sehr ähnlich.«
Perrin schnaubte weiße Wölkchen in die Luft. »Erzählt mir etwas, das ich nicht weiß. Zum Beispiel, warum sich Masuri mit Masema treffen sollte, und warum die Weisen Frauen es erlaubt haben. Ich wette Traber gegen einen Hufeisennagel, dass sie es nicht ohne ihre Erlaubnis getan hat.« Bei Annoura sah es anders aus, sie konnte durchaus aus eigenem Antrieb gehandelt haben. Mit Sicherheit erschien es unwahrscheinlich, dass sie es aufgrund von Berelains Bitte getan hatte.
Balwer rückte den Umhang auf seinen Schultern zurecht und schaute über die Reihen von spitzen Pflöcken zu den Zelten der Aiel; dabei kniff er die Augen zusammen, als hoffte er, durch das Segeltuch blicken zu können. »Es gibt viele Möglichkeiten, mein Lord«, sagte er gereizt. »Für manche, die einen Eid schwören, ist alles erlaubt, was nicht verboten ist, und was nicht befohlen wird, kann ignoriert werden. Andere tun Dinge, von denen sie glauben, dass es ihrem Lehnsherrn helfen wird, und zwar ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Es hat den Anschein, als würden Aes Sedai und Weise Frauen in eine dieser Kategorien fallen, aber darüber hinaus kann ich, so wie die Dinge stehen, nur spekulieren.«
»Ich könnte sie fragen. Aes Sedai können nicht lügen, und wenn ich genug Druck ausübe, könnte Masuri mir die Wahrheit sagen.«
Balwer verzog das Gesicht, als hätte er plötzlich Magenschmerzen. »Vielleicht, mein Lord. Vielleicht. Aber es ist eher wahrscheinlich, dass sie Euch etwas sagt, das wie die Wahrheit klingt. Wie Ihr wisst, sind Aes Sedai darin sehr erfahren. Auf jeden Fall würde sich Masuri fragen, woher Ihr davon wisst, mein Lord, und diese Überlegungen könnten zu Haviar und Nerion führen. Wer kann unter diesen Umständen schon sagen, mit wem sie darüber spricht? Der gerade Weg ist nicht immer der Beste. Gewisse Dinge muss man manchmal aus Gründen der Sicherheit hinter Masken erledigen.«
»Ich habe Euch gesagt, dass man den Aes Sedai nicht vertrauen kann«, sagte Aram plötzlich. »Ich habe Euch das gesagt, Lord Perrin.« Er schwieg, als Perrin die Hand hob, aber der Wutgestank, der von ihm ausging, war so stark, dass er ausatmen musste, um seine Lungen zu klären. Ein Teil von ihm wollte den Geruch tief inhalieren und sich von ihm überwältigen lassen.
Perrin musterte Balwer. Wenn die Aes Sedai die Wahrheit so lange verdrehen konnten, bis man oben nicht mehr von unten unterscheiden konnte, und sie konnten und taten es auch, wieweit konnte man ihnen vertrauen? Vertrauen war immer die Frage. Das hatte er in harten Lektionen gelernt.
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