Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Ebou Dar entfernt gibt es kein Gesetz, wenn man einmal davon absieht, was die örtlichen Lords oder Ladies bestimmen. Adlige oder Gemeine, sie sind daran gewöhnt, jeden zu bezahlen, den sie nicht abwehren können, und sie sind geübt darin, schnell zu erkennen, was im Einzelfall erforderlich ist. Es ist wider jede Vernunft, dass keiner von ihnen versucht hat, sich Sicherheit zu erkaufen, und doch haben wir auf dem Pfad dieser Shaido nur Zerstörung gesehen, haben nur von Plünderungen gehört. Möglicherweise akzeptieren sie ein Lösegeld, aber kann man ihnen vertrauen, dass sie auch die Gegenleistung erbringen? Allein schon ein Angebot gibt unseren einzigen wahren Vorteil preis, nämlich dass sie nichts von uns wissen.« Annoura schüttelte kaum merklich den Kopf, aber Gallenne bemerkte es, und er runzelte die Stirn. »Ihr widersprecht, Annoura Sedai?«, fragte er höflich. Und mit einer Spur von Überraschung. Manchmal war die Graue beinahe scheu, vor allem für eine Schwester, aber sie zögerte nie, ihre Meinung zu sagen, wenn sie mit einem für Berelain bestimmten Rat nicht einverstanden war.
Aber diesmal zögerte Annoura und verbarg es, indem sie ihren Umhang enger zog und die Falten sorgfältig richtete. Das war unbeholfen von ihr; wenn sie wollten, konnten Aes Sedai Hitze oder Kälte ignorieren und blieben unberührt, während alles um sie herum schweißgebadet war oder darum kämpfte, ein Zähneklappern zu unterdrücken. Eine Aes Sedai, die der Temperatur Aufmerksamkeit schenkte, schindete Zeit zum Nachdenken, für gewöhnlich, um zu verbergen, was sie gerade dachte. Sie schenkte Marline ein leises Stirnrunzeln und kam endlich zu einer Entscheidung, und die paar Falten auf ihrer Stirn verschwanden.
»Verhandeln ist immer besser als kämpfen«, sagte sie in ihrem kühlen tarabonischen Akzent, »und bei Verhandlungen ist das Vertrauen stets eine Sache der Vorsichtsmaßnahmen, oder? Wir müssen sorgfältig die Vorsichtmaßnahmen bedenken, die sie ergriffen haben müssen. Und es ist die Frage, wer sich ihnen nähert. Die Weisen Frauen sind vielleicht nicht länger unberührbar, seit sie an der Schlacht bei den Brunnen von Dumai teilgenommen haben. Eine Schwester oder eine Gruppe von Schwestern könnte da besser sein, aber selbst das sollte sorgfältig vorbereitet sein. Ich biete mich an …«
»Kein Lösegeld«, sagte Perrin, und als alle ihn anstarrten, die meisten verblüfft, Annoura mit unleserlichem Gesicht, wiederholte er es mit harter Stimme. »Kein Lösegeld.« Er würde diese Shaido nicht auch noch dafür bezahlen, dass sie Faile hatten leiden lassen. Sie würde Angst haben, und dafür mussten sie bezahlen und nicht profitieren. Nichts von dem, was Perrin in Altara oder Amadicia oder davor in Cairhien gesehen hatte, wies auch nur im Mindesten darauf hin, dass man den Shaido vertrauen konnte, einen Handel einzuhalten. Da konnte man genauso gut den Ratten im Kornspeicher vertrauen. »Elyas, ich will ihr Lager sehen.« Als Junge hatte er einen blinden Mann gekannt. Nat Torfinn mit seinem faltigen Gesicht und dem dünnen weißen Haar konnte jedes Rätselspiel allein durch seinen Tastsinn lösen. Jahrelang hatte Perrin versucht zu lernen, wie man dieses Bravourstück nachahmen konnte, aber es war ihm nie gelungen. Er musste sehen, wie die Stücke zusammenpassten, bevor er sie begriff. »Aram, findet Grady und sagt ihm, er soll so schnell wie möglich an der Reisestelle zu mir kommen.« So nannten sie mittlerweile die Stelle, an der sie nach jedem Sprung ankamen und von der sie auch wieder aufbrachen. Es fiel den Asha’man leichter, ein Wegetor an einem Ort zu weben, der bereits von einem früheren Tor berührt worden war.
Aram nickt knapp, dann zog er seinen Grauen herum und galoppierte in Richtung Lager, aber Perrin konnte von den ihn umgebenden Gesichtern Einwände, Fragen und Forderungen ablesen. Marline musterte ihn noch immer, so als wäre sie sich plötzlich nicht mehr genau darüber im Klaren, was er war, und Gallenne betrachtete mit finsterer Miene die Zügel in seiner Hand; zweifellos malte er sich schon aus, dass die Dinge schlimm ausgehen würden, ganz egal, was Perrin auch machte. Aber Berelain zeigte einen beunruhigten Ausdruck, der ihre Einwände deutlich zutage treten ließ, und Annouras Lippen waren zu einem schmalen Strich verzogen. Aes Sedai mochten es gar nicht, wenn man sie unterbrach, und ob sie nun für eine Aes Sedai scheu war oder nicht, sie sah bereit aus, ihrem Ärger Luft zu
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