Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Menschen, aber bei Aes Sedai war es irgendwie schlimmer, bedeutungsvoller. Was man gegen eine Aes Sedai einzusetzen wagte, würde man erst recht zehnfach oder hundertfach gegen jene einsetzen, die sich nicht wehren konnten. Irgendwie würden sie sich zu gegebener Zeit um ihn kümmern müssen. Sie war mit Rand aufgewachsen, aber sie konnte nicht zulassen, dass sie das beeinflusste. Er war jetzt der Wiedergeborene Drache, die Hoffnung der Welt und zugleich vielleicht die größte einzelne Bedrohung, die ihr gegenüberstand. Vielleicht? Die Seanchaner konnten nicht so viel Schaden anrichten wie der Wiedergeborene Drache. Und sie würde sich den Umstand zunutze machen, dass er möglicherweise Schwestern mit einem Zwang belegt hatte. Die Amyrlin war eine andere Frau als die Wirtstochter.
Sie schaute den Becher mit dem angeblichen Tee böse an, dann ergriff sie ihn und zwang sich, das ekelhafte Zeug zu trinken, dabei würgte sie die ganze Zeit. Vielleicht würde sie wenigstens der Geschmack von den Kopfschmerzen ablenken.
Als sie den Becher mit dem scharfen Hallen von Metall auf Holz absetzte, betrat Anaiya mit finsterer Miene das Zelt.
»Akarrin und die anderen sind zurück, Mutter«, sagte sie. »Moria hat mich gebeten, Euch darüber in Kenntnis zu setzen, dass sie den Saal zusammengerufen hat, um ihren Bericht zu hören.«
»Escaralde und Malind auch«, verkündete Morvrin, die in Begleitung von Myrelle hinter Anaiya eintrat. Die Grüne schien die Verkörperung ungetrübten Zorns zu sein, falls es so etwas gab, ihr dunkles Gesicht war reglos und ihre Augen wie erloschene Kohlen, aber Morvrin zog eine Miene, die Anaiya erfreut aussehen ließ. »Sie schicken Novizinnen und Aufgenommene los, um alle Sitzenden aufzuspüren«, sagte die Braune. »Wir haben nicht einmal den Hauch einer Andeutung erfahren, was Akarrin herausgefunden hat, aber ich glaube, Escaralde und die anderen wollen es benutzen, um den Saal in eine bestimmte Richtung zu drängen.«
Egwene schaute auf den dunklen Bodensatz in den letzten Tropfen auf dem Bechergrund und seufzte. Sie würde auch dabei sein müssen, und jetzt würde sie den Sitzenden mit Kopfschmerzen und diesem schrecklichen Geschmack im Mund gegenübertreten müssen. Vielleicht sollte sie es als Buße dafür betrachten, was sie dem Saal antun würde.
KAPITEL 19
Überraschungen
N ach altem Brauch wurde die Amyrlin von einer Sitzung des Saals informiert, aber nichts besagte, dass man auf sie warten musste, bevor man anfing, was bedeutete, dass möglicherweise nur wenig Zeit blieb. Egwene wollte auf die Füße springen und geradewegs zu dem großen Pavillon marschieren, bevor Moria und die anderen beiden die Überraschungen präsentieren konnten, die sie auch immer hatten. Überraschungen im Saal waren selten gut. Überraschungen, von denen man zu spät erfuhr, waren noch schlimmer. Aber bevor die Amyrlin den Saal betreten konnte, mussten Gesetze eingehalten werden, keine Verhaltensregeln, also blieb sie, wo sie war, und schickte Siuan los, um Sheriam zu holen, damit die Bewahrerin der Chroniken sie so ankündigen konnte, wie es vorgeschrieben war. Siuan hatte ihr erzählt, dass es eigentlich nur darum ging, die Sitzenden vor ihrer Ankunft zu warnen – es gab immer Angelegenheiten, die sie diskutieren wollten, ohne dass die Amyrlin davon erfuhr –, und sie hatte sich dabei nicht unbedingt angehört, als würde sie es als Scherz meinen.
Aber wie es sich damit auch in Wirklichkeit verhielt, es war sinnlos, zum Saal zu gehen, wenn sie nicht eintreten konnte. Sie bezähmte ihre Ungeduld, stützte den Kopf auf die Hände und massierte die Schläfen, während sie versuchte, noch einige Berichte der Ajah zu lesen. Trotz des ekelhaften Tees oder vielleicht sogar deswegen ließen ihre Kopfschmerzen die Worte auf der Seite jedes Mal verschwimmen, wenn sie blinzelte, und Anaiya und die beiden anderen waren nicht hilfreich.
Siuan war gerade gegangen, als Anaiya den Umhang zurückschlug und sich auf den gleichen Hocker setzte – unter ihr schien er nicht zu wackeln, ob seine Beine nun unterschiedlich lang waren oder nicht –, und fing an, darüber zu spekulieren, was Moria und die anderen im Schilde führten. Sie war keine phantasievolle Frau, also fielen ihre Spekulationen unter diesen Umständen ziemlich zurückhaltend aus. Zurückhaltend, aber keineswegs weniger beunruhigend.
»Leute mit Angst tun törichte Dinge, Mutter, selbst Aes Sedai«, murmelte sie und legte die Hände auf die
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