Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Siuan schnaubte wieder, diesmal aber leiser. Sie hatte sich noch nicht entschieden, was sie von der Idee halten sollte, dass sich Aes Sedai bei den Kusinen zur Ruhe setzten, ganz zu schweigen davon, wie die anderen Schwestern den Vorschlag aufnehmen würden. »Meine Augen-und-Ohren haben noch nichts davon gehört, aber jemand wird es, das ist ganz sicher. Ihr könnt nicht mehr lange warten, andernfalls waten wir in einer Schule von Silberhechten.«
»Eines Tages muss ich mir diese Silberhechte mal ansehen, von denen Ihr immer sprecht«, murmelte Egwene. Sie hielt eine Hand hoch, als Siuan den Mund öffnete. »Eines Tages. Der Vertrag mit dem Meervolk wird für Streitigkeiten sorgen«, gab sie zu, »aber wenn die Ajahs Hinweise zu hören bekommen, werden sie nicht sofort verstehen, worum es da eigentlich geht. Schwestern, die Meervolk-Frauen in Caemlyn unterrichten? Das hat es noch nie gegeben, aber wer wird Fragen stellen oder etwas dagegen tun, gegen alle Regeln? Ich bin überzeugt, es wird Gemurre geben, vielleicht ein paar Fragen im Saal, aber bevor herauskommt, dass es ein Handel ist, werde ich meinen Plan für die Kusinen vorgestellt haben.«
»Und Ihr glaubt, dass sie das nicht die Messer wetzen lässt?« Siuan rückte die Stola zurecht und gab sich keine besondere Mühe, ihren Unglauben zu verbergen. Tatsächlich verzog sie das Gesicht.
»Es wird Debatten geben«, gestand Egwene ihr wohlüberlegt zu. Eine beträchtliche Untertreibung. Es würde einen Aufschrei auslösen, sobald alles bekannt wurde. Auch wenn es noch nie einen Aufruhr unter den Aes Sedai gegeben hatte, das hier würde ihm sehr nahekommen. Aber die Burg verlor jetzt seit über tausend Jahren an Macht, wenn nicht sogar schon länger, und Egwene wollte dem ein Ende setzen. »Aber ich werde es langsam angehen lassen. Aes Sedai mögen ungern über das Alter sprechen, Siuan, aber sie werden bald herausfinden, dass der Schwur mit dem Eidstab unser Leben um mindestens die Hälfte verkürzt. Niemand will vor seiner Zeit sterben.«
»Falls sie sich überzeugen lassen, dass es wirklich eine Kusine gibt, die sechshundert Jahre alt ist«, sagte Siuan widerwillig, und Egwene seufzte verdrossen. Das war noch etwas, woran die andere nicht so richtig glaubte, die angebliche Langlebigkeit der Kusinen. Sie schätzte Siuans Rat und dass sie nicht nur das sagte, was Egwene hören wollte, aber manchmal schien sie ihre Absätze genauso störrisch in den Boden zu stemmen wie Romanda oder Lelaine.
»Wenn es sein muss, Siuan«, sagte sie gereizt, »lasse ich die Schwestern mit ein paar Frauen sprechen, die hundert oder mehr Jahre älter als sie sind. Möglicherweise werden sie sie als Wilde oder Lügnerinnen abtun wollen, aber Reanne Corly kann beweisen, dass sie in der Burg war und wann. Und andere können das auch. Mit etwas Glück kann ich die Schwestern davon überzeugen, sich von den Drei Eiden befreien zu lassen, sodass sie bei den Kusinen in den Ruhestand gehen, und zwar, bevor sie erfahren, dass es einen Vertrag mit den Atha’an Miere gibt. Und sobald sie akzeptieren, dass man überhaupt eine Schwester von den Eiden befreit, wird es auch nicht mehr so schwer sein, sie davon zu überzeugen, die Schwestern vom Meervolk gehen zu lassen. Daneben ist der Rest des Vertrags lächerlich. Wie Ihr immer sagt, um etwas im Saal erreichen zu wollen, sind Geschick und eine flinke Hand nötig, aber Glück ist eine Grundvoraussetzung. Nun, ich werde so geschickt und flink sein, wie ich kann, und was das Glück angeht, scheint der Vorteil diesmal auf meiner Seite zu liegen.«
Siuan verzog das Gesicht, aber am Ende musste sie zustimmen. Sie räumte sogar ein, dass Egwene es schaffen konnte, mit Glück und zur richtigen Zeit. Nicht, dass sie von den Kusinen oder dem Handel mit den Atha’an Miere überzeugt gewesen wäre, aber was Egwene da vorschlug, war noch nie da gewesen, und es hatte den Anschein, als würde der größte Teil den Saal passieren können, bevor sie überhaupt begriffen, was da auf sie zukam. Egwene war bereit, sich damit zufriedenzugeben. Was auch immer dem Saal vorgetragen wurde, so gut wie immer waren genug Sitzende dagegen, um einen Konsens zu einem Stück harter Arbeit zu machen, und im Saal geschah nichts ohne den kleinsten gemeinsamen Konsens und für gewöhnlich auch mit dem großen. Manchmal kam es ihr so vor, als würden ihre meisten Auseinandersetzungen mit dem Saal darin bestehen, sie zu überzeugen, das zu tun, was sie nicht tun wollten. Es
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