Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Lampe kreiselte weiter, immer kurz vor dem Umkippen.
Egwene erwachte und fuhr in völliger Dunkelheit hoch. Sie wusste Bescheid. Zum ersten Mal wusste sie genau, was ein Traum bedeutete. Aber warum sollte sie davon träumen, dass eine Seanchanerin sie rettete, und dann von Seanchanern, die die Weiße Burg angriffen? Ein Angriff, der die Aes Sedai bis ins Mark erschüttern und die Burg selbst bedrohen würde. Natürlich war es nur eine Möglichkeit. Aber Ereignisse in Wahrträumen waren wahrscheinlicher als andere Möglichkeiten.
Sie dachte, sie würde ruhig nachdenken, aber dann schabte die Eingangsplane, und sie hätte beinahe die Wahre Quelle umarmt. Hastig ging sie die Novizinnenübungen durch, um sich zu beruhigen, Wasser floss über glatten Stein, Wind fuhr durch hohes Gras. Beim Licht, sie hatte Angst gehabt. Sie brauchte zwei davon, um einigermaßen Ruhe zu finden. Sie öffnete den Mund, um zu fragen, wer da war.
»Schlaft Ihr?«, murmelte Halima leise. Sie klang angespannt, beinahe aufgeregt. »Nun, ich hätte selbst nichts gegen eine ordentliche Nachtruhe einzuwenden.«
Egwene hörte zu, wie sich die Frau in der Dunkelheit auszog. Und lag reglos da. Wenn sie sie wissen ließ, dass sie wach war, hätte sie mit ihr reden müssen, und im Moment wäre das peinlich gewesen. Sie war sich ziemlich sicher, dass Halima Gesellschaft gefunden hatte, wenn auch nicht für die ganze Nacht. Halima konnte natürlich tun und lassen, was sie wollte, aber Egwene war trotzdem enttäuscht. Sie wünschte sich, sie wäre nicht erwacht, versank wieder im Schlaf und versuchte diesmal nicht, auf halbem Weg stehen zu bleiben. Sie würde sich an jeden Traum erinnern, der kam, und sie brauchte Schlaf.
Chesa kam in aller Frühe, um ihr auf einem Tablett das Frühstück zu bringen und ihr beim Ankleiden behilflich zu sein. Es war noch sehr früh. Da war nur ein Versprechen von Sonnenlicht, und Lampenlicht war nötig, um etwas zu sehen. Die Holzkohlen in der Pfanne waren während der Nacht erloschen, und die Kälte, die in der Luft hing, fühlte sich grau an. Möglicherweise würde es heute schneien. Halima wand sich in ein seidenes Unterhemd und dann in das Kleid, scherzte lachend darüber, wie gern sie eine Zofe hätte, während Chesa die Knöpfe auf Egwenes Rücken schloss. Die pummelige Frau machte ein ausdrucksloses Gesicht und ignorierte Halima. Egwene sagte nichts. Sie schwieg eisern. Halima war nicht ihre Dienerin. Sie hatte kein Recht, dieser Frau ihr Benehmen vorzuschreiben.
Chesa war gerade mit den letzten winzigen Knöpfen fertig und tätschelte Egwenes Arm, als Nisao die Zeltplane zur Seite schob und einen frischen kalten Luftschwall einließ. Der kurze Blick in der Zeit, bevor die Plane hinter ihr zufiel, verriet, dass draußen noch alles grau war. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass es schneien würde.
»Ich muss allein mit der Mutter sprechen«, sagte sie und hielt den Umhang um den Körper gezogen, als würde sie bereits den Schnee fühlen. Ein so energischer Ton war ungewöhnlich von der kleinen Frau.
Egwene nickte Chesa zu, die einen Knicks machte, ihr aber auf dem Weg nach draußen einschärfte, das Frühstück nicht kalt werden zu lassen.
Halima verharrte und betrachtete sowohl Egwene wie auch Nisao, bevor sie ihren Umhang von der Stelle aufhob, wo er in einem unordentlichen Haufen am Fuß ihrer Pritsche lag. »Vermutlich hat Delana Arbeit für mich«, sagte sie und klang gereizt.
Nisao sah der Frau stirnrunzelnd nach, dann umarmte sie wortlos Saidar und webte einen Schild um sich und Egwene, der Lauscher abwehrte, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. »Anaiya und ihr Behüter sind tot«, sagte sie. »Ein paar Arbeiter, die in der Nacht Kohlensäcke lieferten, hörten ein Geräusch, als würde jemand um sich schlagen, und wie durch ein Wunder liefen sie alle hin, um nachzusehen. Sie fanden Anaiya und Setagana im Schnee liegen. Tot.«
Egwene setzte sich langsam auf ihren Stuhl, der sich im Moment alles andere als bequem anfühlte. Anaiya, tot. Sie war keine Schönheit gewesen, aber wenn sie lächelte, wärmte das alles um sie herum. Eine durchschnittlich aussehende Frau, die Spitze auf ihren Gewändern geliebt hatte. Egwene wusste, dass sie auch für Setagana Trauer hätte verspüren sollen, aber er war Behüter gewesen. Wenn er Anaiya überlebt hätte, wäre es unwahrscheinlich gewesen, dass er noch lange gelebt hätte. »Wie?«, sagte sie. Nisao würde keinen Schild gewebt haben, nur um ihr zu sagen,
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