Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
alles. Egeanin stieg ab und warf Domon ihre Zügel zu, der sie mit einer Verbeugung im Sattel auffing. Domons Kapuze war gerade weit genug zurückgerutscht, um zu zeigen, dass sein Schädel auf der einen Seite rasiert und sein restliches Haar zu einem Zopf geflochten war, der ihm bis zu den Schultern ging. Regen tropfte von dem kurzen Bart des kräftigen Illianers, dennoch schaffte er es, die halsstarrige Arroganz eines So’jhin zu bewahren, eines erbberechtigten Oberdieners einer des Blutes und somit dem Blut fast gleichgestellt. Auf jeden Fall von höherem Rang als ein gewöhnlicher Soldat. Egeanin warf einen Blick zurück zu Mat und seiner Last, das Gesicht eine erstarrte Maske, die als Hochmut durchgehen konnte, wenn man nicht wusste, dass sie von dem entsetzt war, was sie da taten. Die hochgewachsene Sul’dam und ihre Damane kamen zurück, sie hatten ihre Kontrolle beendet. Vanin, der direkt hinter Mat eine Kolonne Packpferde führte und wie immer wie ein Sack Mehl im Sattel saß, beugte sich vor und spuckte aus. Mat vermochte nicht zu sagen, warum das in seiner Erinnerung hängen geblieben war, aber das war es. Vanin spuckte aus, und weit hinter ihnen in der Ferne erscholl Trompetenschall. Aus dem Süden der Stadt, wo Männer geplant hatten, auf der Buchtstraße abgeladenen seanchanischen Nachschub in Brand zu setzen.
Der Offizier der Wache verharrte beim Ton der Trompeten, aber plötzlich fing mitten in der Stadt eine Glocke an zu läuten, dann noch eine, und dann hatte es den Anschein, als würden Hunderte von ihnen in der Nacht Alarm schlagen, während der schwarze Himmel von mehr Blitzen zerrissen wurde, als jeder Sturm jemals hervorgebracht hatte, silberblaue Blitze, die innerhalb der Stadtmauern in die Tiefe zuckten. Sie tauchten den Tunnel in flackerndes Licht. Das war der Augenblick, in dem die ersten Schreie ertönten, gefolgt von donnernden Explosionen in der Stadt.
Einen Augenblick lang verfluchte Mat die Windsucherinnen dafür, früher zugeschlagen zu haben, als sie ihm versprochen hatten. Aber dann wurde ihm klar, dass die Würfel in seinem Kopf verstummt waren. Warum? Es wollte ihn losfluchen lassen, aber nicht einmal dazu war Zeit. Im nächsten Augenblick drängte der Offizier Egeanin eilig dazu, wieder in den Sattel zu steigen und ihre Reise fortzusetzen, dann rief er den Männern, die aus der Wachstube stürmten, Befehle zu und schickte einen in die Stadt hinein, um zu ergründen, worum es bei dem Alarm ging, während er die übrigen Männer gegen Bedrohungen von innen oder außen aufstellte. Die pausbäckige Frau rannte los, um zusammen mit ihrer Damane zwischen den Soldaten Aufstellung zu nehmen, gefolgt von einem weiteren mit einem A’dam verbundenen Paar, das aus der Wachstube gelaufen kam. Und Mat und die anderen galoppierten hinaus in den Sturm, unter ihnen drei Aes Sedai, von denen zwei entflohene Damane waren, sowie die entführte Erbin des Kristallthrons von Seanchan, während sich hinter ihnen ein viel schlimmerer Sturm über Ebou Dar entlud. Blitze so zahlreich wie Grashalme …
Mit einem Schauder riss sich Mat zurück in die Gegenwart. Egeanin sah ihn finster an und zog ihn übertrieben fest weiter. »Liebespärchen beeilen sich nicht«, murmelte er. »Sie … flanieren.« Sie verzog höhnisch die Lippen. Domon musste blind vor Liebe sein. Entweder das, oder er hatte zu viele Schläge auf den Kopf kassiert.
Das Schlimmste war vorbei. Mat hoffte jedenfalls, dass die Flucht aus der Stadt das Schlimmste gewesen war. Seitdem hatte er die Würfel nicht mehr gehört. Sie waren immer ein Unheil verkündendes Zeichen gewesen. Seine Spuren waren so verwischt, wie es ihm möglich gewesen war, und er war davon überzeugt, dass man mindestens einen Glückspilz wie ihn brauchen würde, um das Gold vom Stroh zu trennen. Die Sucher hatten Egeanins Witterung bereits vor jener Nacht aufgenommen, und sie würde jetzt auch noch wegen des Diebstahls von Damane gesucht werden, aber die Behörden würden erwarten, dass sie ritt, so schnell sie konnte und bereits meilenweit von Ebou Dar entfernt war, statt in Sichtweite der Stadt zu verweilen. Abgesehen von einer zufälligen Zeitübereinstimmung brachte sie nichts mit Tuon in Verbindung. Oder mit Mat, und das war wichtig. Tylin hatte sicherlich ihre eigenen Anklagen gegen ihn vorgebracht – keine Frau würde einem Mann vergeben, dass er sie gefesselt unters Bett geschoben hatte, selbst wenn es ihr Vorschlag gewesen war –, aber mit etwas Glück
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