Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
bemerkte es kaum. Nur etwas Wichtiges konnte Sebban Balwer veranlasst haben, sich in der Dunkelheit aus seinen Decken zu schälen, und was Selande Darengil anging …
Balwer erschien in seinem dicken Mantel schmächtig, sein verkniffenes Gesicht wurde fast vollständig von der tiefen Kapuze verborgen. Hätte er sich gerade hingestellt statt so gekrümmt, hätte er die Frau aus Cairhien noch immer fast eine Handlänge überragt, die nicht groß war. Mit um den Leib geschlungenen Armen hüpfte er von einem Fuß auf den anderen und versuchte der Kälte zu entgehen, die durch seine Stiefelsohlen dringen musste. Selande in ihrem dunklen Männermantel und den Hosen gab sich trotz des weißen Dampfs bei jedem Atemzug recht viel Mühe, die Kälte zu ignorieren. Sie zitterte, schaffte es aber, still dazustehen; die eine Seite ihres Umhangs war zurückgeworfen, und eine behandschuhte Hand ruhte auf dem Schwertgriff. Auch ihre Kapuze war zurückgeschlagen und enthüllte Haar, das bis auf den im Nacken mit einem dunklen Band zusammengebundenen Pferdeschwanz kurz geschnitten war. Selande war die Anführerin dieser Narren, die Aiel imitieren wollten, Aiel mit Schwertern. Ihr Geruch war weich und dick, wie Gelee. Sie machte sich Sorgen. Balwer roch … angespannt, aber das tat er fast immer, obwohl seine Anspannung niemals Leidenschaft aufwies, sondern nur Konzentration.
Der schmächtige kleine Mann hörte auf zu hüpfen und machte eine steife, schnelle Verbeugung. »Lady Selande hat Neuigkeiten, die Ihr, wie ich finde, von ihr selbst hören solltet, mein Lord.« Balwers dünne Stimme war trocken und präzise, genau wie ihr Besitzer. Sollte sein Kopf einmal auf einem Richtblock liegen, würde er sich genauso anhören. »Meine Lady, wenn ihr so nett wäret?« Er war bloß Sekretär – Failes und Perrins Sekretär –, größtenteils ein übertrieben penibler, zurückhaltender Bursche, und Selande war eine Adlige, aber Balwer ließ es nicht unbedingt wie eine Bitte klingen.
Sie warf ihm einen scharfen Seitenblick zu und rückte das Schwert zurecht. Perrin hielt sich bereit, nach ihr zu greifen. Er glaubte eigentlich nicht, dass sie tatsächlich die Klinge ziehen und auf den Mann richten würde, aber andererseits kannte er sie und ihre lächerlichen Freunde nicht gut genug, um es auszuschließen. Balwer beobachtete sie bloß mit schräg gelegtem Kopf, und sein Geruch trug lediglich Ungeduld heran und keine Sorge.
Selande warf den Kopf zurück und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Perrin. »Ich grüße Euch, Lord Perrin Goldauge«, begann sie mit dem scharfen Akzent Cairhiens, aber da ihr klar war, dass er nur wenig Geduld für ihre vorgebliche Aiel-Förmlichkeit hatte, legte sie an Tempo zu. »Ich habe in dieser Nacht drei Dinge erfahren. Zuerst die am wenigsten wichtige Sache. Haviar berichtet, dass Masema gestern einen weiteren Reiter zurück nach Amadicia geschickt hat. Nerion hat versucht, ihn zu verfolgen, ihn aber aus den Augen verloren.«
»Sagt Nerion, ich habe befohlen, dass er niemandem folgen soll«, sagte Perrin schroff. »Und Haviar könnt Ihr das Gleiche sagen. Sie sollten das wissen! Sie sollen aufpassen, zuhören und berichten, was sie sehen und hören, mehr nicht! Habt Ihr mich verstanden?« Selande nickte schnell, und einen Augenblick lang stahl sich dornige Furcht in ihren Duft. Furcht vor ihm, vermutete Perrin, die Angst, dass er auf sie wütend war. Gelbe Augen bei einem Mann machten manche Leute nervös. Er ließ die Axt los und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
Haviar und Nerion gehörten ebenfalls zu Failes zwei Dutzend jungen Narren, der eine war Tairener, der andere aus Cairhien. Faile hatte sie als Augen-und-Ohren benutzt, eine Tatsache, die ihn aus irgendeinem Grund noch immer ärgerte, obwohl sie ihm ins Gesicht gesagt hatte, dass Spionieren die Aufgabe einer Ehefrau war. Ein Mann musste genau zuhören, wenn er glaubte, dass seine Frau scherzte; möglicherweise war es ihr nämlich ernst. Das ganze Konzept des Spionierens bereitete ihm Unbehagen, aber wenn Faile sie so benutzen konnte, dann konnte es ihr Mann erst recht, wenn die Notwendigkeit bestand. Aber nur die beiden. Masema schien davon überzeugt zu sein, dass abgesehen von Schattenfreunden jedermann vom Schicksal dazu bestimmt war, ihm früher oder später zu folgen, aber er konnte misstrauisch werden, wenn zu viele Perrins Lager verließen und sich ihm anschlossen.
»Nennt ihn nicht Masema, nicht einmal hier«, fügte er
Weitere Kostenlose Bücher