Das Rad der Zeit 11. Das Original: Die Traumklinge (German Edition)
wäre nicht wie auf dem Fischmarkt damit herausgeplatzt. In letzter Zeit war Sheriam so leichtsinnig wie eine Novizin geworden!
Lelaine schürzte die Lippen und sah Siuan durchdringend an. »Hat sie das? Ihr solltet wirklich Eure Stola tragen, Sheriam. Ihr seid die Bewahrerin. Siuan, begleitet Ihr mich? Es ist viel zu lange her, dass wir uns unter vier Augen unterhalten haben.« Mit einer Hand hielt sie die Zeltplane zurück und richtete den durchdringenden Blick auf die anderen Schwestern. Sheriam errötete, wie es nur eine Rothaarige tun konnte, sie wurde knallrot und fummelte die schmale blaue Stola aus der Gürteltasche, um sie sich um die Schultern zu legen, aber Myrelle und Carlinya erwiderten Lelaines Musterung ungerührt. Morvrin hatte angefangen, mit dem Finger gegen das runde Kinn zu tippen, als wäre sie sich der anderen nicht bewusst. Möglicherweise stimmte das auch. Morvrin war so.
Waren Egwenes Befehle zu ihnen durchgedrungen? Siuan blieb nicht mal die Gelegenheit für einen energischen Blick, während sie die Kanne abstellte. Ein Vorschlag von einer Schwester von Lelaines Stellung – ob sie nun Sitzende war oder nicht – kam für jemanden von Siuans Rang einem Befehl gleich. Sie hob Umhang und Röcke an und ging hinaus, dankte Lelaine murmelnd, dass sie ihr die Plane aufhielt. Beim Licht, sie hoffte, dass diese Närrinnen ihr auch zugehört hatten.
Draußen standen jetzt vier Behüter, aber einer von ihnen war Lelaines Burin, ein kleiner kupferhäutiger Domani in einem Behüter-Umhang, der den größten Teil von ihm nicht da zu sein scheinen ließ, und Avar war von einem anderen von Myrelles Männern ersetzt worden, Nuhel Dromand, einem großen, beleibten Mann mit einem Illianerbart, der seine Oberlippe frei ließ. Er stand so still da, dass man ihn für eine Statue hätte halten können, wären da vor seiner Nase nicht diese winzigen Nebelschwaden gewesen. Arinvar verbeugte sich vor Lelaine, eine schnelle Höflichkeit, wenn auch formell. Nuhel und Jori ließen in ihrer Wachsamkeit nicht nach. Burin auch nicht, was das anging.
Der Knoten, der Nachtlilie gehalten hatte, brauchte genauso lang, um wieder gelöst zu werden, wie sein Knüpfen gedauert hatte, aber Lelaine wartete geduldig, bis sich Siuan mit den Zügeln in der Hand aufrichtete, dann setzte sie sich mit langsamen Schritten auf dem Gehweg vorbei an dunklen Zelten in Bewegung. Mondschatten verbargen ihr Gesicht. Sie verzichtete darauf, die Macht zu umarmen, also konnte Siuan es auch nicht tun. Gefolgt von Burin ging Siuan mit dem Pferd neben Lelaine her und schwieg. Es war Sache der Sitzenden anzufangen, und nicht nur, weil sie eine Sitzende war. Siuan kämpfte gegen den Drang an, den Kopf zu senken und so die Extra-Zentimeter zu verlieren, die sie der Frau voraushatte. Sie dachte nur noch selten an die Zeit, als sie Amyrlin gewesen war. Sie war wieder als Aes Sedai aufgenommen worden, und als Aes Sedai gehörte es dazu, instinktiv seine Nische unter den anderen Schwestern einzunehmen. Das verdammte Pferd knabberte an ihrer Hand, als würde es sich für ihr Tier halten, und sie wechselte die Zügel lange genug in die andere Hand, um sich die Finger am Umhang abzuwischen. Dreckiges sabberndes Biest. Lelaine sah sie von der Seite an, und sie fühlte, wie sich ihre Wangen röteten. Instinkt.
»Ihr habt seltsame Freunde, Siuan. Ich glaube, ein paar von ihnen waren dafür, Euch wegzuschicken, als Ihr in Salidar aufgetaucht seid. Sheriam könnte ich verstehen, auch wenn die Tatsache, dass sie so weit über Euch steht, bestimmt eine gewisse Peinlichkeit mit sich bringt. Das war auch der hauptsächliche Grund, warum ich Euch gemieden habe, um Peinlichkeiten zu vermeiden.«
Um ein Haar hätte Siuan sie erstaunt angestarrt. Das grenzte ja beinahe schon daran, über das zu sprechen, worüber niemals gesprochen wurde, eine Überschreitung, die sie von dieser Frau niemals erwartet hätte. Von ihr selbst, möglicherweise – sie hatte ihre Nische gefunden, aber sie war nun einmal, wer sie war –, aber niemals von Lelaine!
»Ich hoffe, wir beide können wieder Freundinnen werden, Siuan, obwohl ich verstehen kann, falls das unmöglich sein sollte. Dieses Treffen heute Nacht bestätigt, was Faolain mir gesagt hat.« Lelaine lachte leise und faltete die Hände in Taillenhöhe. »Oh, verzieht doch nicht so das Gesicht, Siuan. Sie hat Euch nicht verraten, jedenfalls nicht absichtlich. Sie hat eine Bemerkung zu viel gemacht, und ich entschied mich, sie
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