Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
aber Gai’shain erringen Ehre nur durch den Dienst. Was sollen wir sonst tun?«
Die Frauen lachten wieder, und beide schüttelten den Kopf, als sie mit raschelnden Gewändern zurück in Richtung Lager liefen. Der Gedanke, so eine Tracht noch einmal tragen zu müssen, ließ Faile zusammenzucken, auch wenn es sie nur an die Tage erinnerte, die sie Sevanna hatte bedienen müssen.
Die hochgewachsene Arrela und die anmutige Lacile gesellten sich bei den Weiden wieder zu ihr. Die Töchter, die als ihre Leibwache fungierten, blieben zurück und passten aus der Ferne auf. Eine dritte Tochter trat aus den Schatten und gesellte sich zu ihnen, vermutlich von Bain und Chiad geschickt, um Alliandre zu beschützen. Die dunkelhaarige Königin stand vor den Bäumen und sah in ihrem kostbaren roten Gewand und den Goldkettchen im Haar wieder wie eine richtige Lady aus. Es war eine auffällige Aufmachung, als wäre sie entschlossen, die Tage als unfreiwillige Dienerin ungeschehen zu machen. Alliandres Gewand machte Faile unwillkürlich ihren Morgenrock bewusst. Aber sie hätte sich nichts anderes anziehen können, ohne Perrin zu wecken. Arrela und Lacile trugen nur die bestickten Hosen und Hemden, die bei den Cha Faile üblich waren.
Alliandre hielt eine kleine Laterne mit vorgeschobener Blende, die nur wenig Licht spendete; es beleuchtete ihr jugendliches Gesicht und das dunkle Haar. »Haben sie etwas gefunden?«, fragte sie sofort. »Bitte, sagt mir, dass sie Erfolg hatten.« Für eine Königin war sie immer erstaunlich bodenständig gewesen, wenn auch etwas herrisch. Ihre Zeit in Malden schien Letzteres etwas gedämpft zu haben.
»Ja.« Faile hob das Bündel. Die Frauen drängten sich um sie, als sie niederkniete. Das kurze Gras wurde von der Laterne angestrahlt und funkelte wie Flammenzungen. Faile öffnete das Bündel. Es enthielt nichts Außergewöhnliches. Ein kleines Taschentuch aus gelber Seide. Ein Ledergürtel mit einem eingestanzten Muster aus Vogelfedern. Ein schwarzer Schleier. Und ein schmaler Lederriemen, in dessen Mitte ein Stein eingeschnürt war.
»Dieser Gürtel gehörte Kinhuin«, sagte Alliandre und zeigte darauf. »Ich habe gesehen, wie er ihn trug, bevor …« Sie verstummte, kniete nieder und nahm ihn.
»Der Schleier gehört einer Tochter«, sagte Arrela.
»Unterscheiden sie sich?«, fragte Alliandre überrascht.
»Natürlich tun sie das«, sagte Arrela und hob den Schleier hoch. Faile hatte die Tochter, die Arrelas Beschützerin geworden war, nie kennengelernt, aber die Frau war in der Schlacht gestorben, wenn auch nicht auf so dramatische Weise wie Rolan und die anderen.
Das Seidentuch gehörte Jhoradin; Lacile zögerte, dann nahm sie es in die Hand, drehte es um und enthüllte einen Blutfleck auf der anderen Seite. Damit war nur noch der Lederriemen übrig. Rolan hatte ihn gelegentlich unter seinem Cadin’sor um den Hals getragen. Faile hätte gern gewusst, was er ihm bedeutet hatte, und ob der Stein, ein grob bearbeiteter Türkis, eine besondere Bedeutung für ihn gehabt hatte. Sie nahm ihn, dabei fiel ihr Blick auf Lacile. Überraschenderweise schien die schlanke Frau zu weinen. Weil Lacile so schnell in das Bett des stämmigen Bruderlosen gestiegen war, war Faile immer davon ausgegangen, dass ihre Beziehung zu ihm aus der Notwendigkeit heraus entstanden war und nicht aus Zuneigung.
»Vier Menschen sind tot«, sagte Faile. Plötzlich war ihr Mund ganz trocken. Sie bemühte sich um einen förmlichen Tonfall, denn das war die beste Weise, Gefühle aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Sie haben uns beschützt, hatten sogar etwas für uns übrig. Obwohl sie der Feind waren, betrauern wir sie. Aber vergesst nie, dass sie Aiel waren. Für einen Aiel gibt es viel schlimmere Schicksale als der Tod im Kampf.«
Die anderen beiden nickten, aber Lacile erwiderte ihren Blick. Für sie beide war es anders. Als Perrin aus dieser Gasse gestürmt gekommen war – vor Wut brüllend, weil Faile und Lacile allem Anschein nach von einem Shaido misshandelt wurden –, waren viele Dinge sehr schnell geschehen. In dem folgenden Kampf hatte sie Rolan in genau dem richtigen Augenblick abgelenkt und ihn zögern lassen. Er hatte das aus Sorge um sie getan, aber dieses Zögern hatte Perrin erlaubt, ihn zu töten.
Hatte sie es absichtlich getan? Sie vermochte es noch immer nicht zu sagen. Ihr war so viel durch den Kopf geschossen, der Anblick Perrins hatte so viele Gefühle ausgelöst. Sie hatte aufgeschrien und … sie
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