Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
welchem Recht wollte sie anderen einen Vorwurf machen? Sollte Lacile doch tun, was sie wollte. Wenn dieser Niagen auch nur ein halb so guter Mann wie Rolan und die anderen war, dann würde Lacile es ja vielleicht gut bei ihm haben.
»Kinhuin hatte gerade erst angefangen, auf mich aufzupassen«, sagte Alliandre. »Ich weiß, was er sich wünschte, aber er hat es nie verlangt. Bestimmt wollte er die Shaido verlassen und hätte uns bei der Flucht geholfen. Er hätte uns geholfen, selbst wenn ich ihn abgewiesen hätte.«
»Marthea hasste, was die anderen Shaido taten«, sagte Arrela. »Aber sie blieb bei ihnen, weil es ihr Clan war. Für diese Loyalität ist sie gestorben. Es gibt schlimmere Dinge, für die man sterben kann.«
Faile sah zu, wie die letzte Glut des Miniaturscheiterhaufens flackernd verlosch. »Ich glaube, Rolan hat mich wirklich geliebt«, sagte sie. Und das war alles.
Sie standen auf und kehrten ins Lager zurück. Die Vergangenheit war ein Feld aus Glut und Asche, wie ein altes saldaeanisches Sprichwort sagte, die Reste des Feuers, das die Gegenwart war. Diese Glut wurde hinter ihr fortgeweht. Aber sie behielt Rolans Türkis. Nicht aus Bedauern, sondern zur Erinnerung.
Perrin lag wach in der stillen Nacht und roch das Segeltuch seines Zeltes und den einzigartigen Duft Failes. Sie war nicht da, obwohl sie eben noch hier gewesen war. Er war eingeschlafen, und jetzt war sie fort. Vermutlich zu den Latrinen.
Er starrte in die Finsternis hinauf und versuchte Springer und den Wolfstraum zu verstehen. Je länger er darüber nachdachte, desto entschlossener wurde er. Er würde zur Letzten Schlacht marschieren – und wenn er das tat, wollte er den Wolf in seinem Inneren kontrollieren können. Entweder wollte er von den vielen Menschen befreit sein, die ihm folgten, oder lernen, ihre Loyalität zu akzeptieren.
Er musste einige Entscheidungen treffen. Es würde ihm nicht leichtfallen, aber er würde sie treffen. Ein Mann musste schwere Dinge tun. So war das Leben nun einmal. Da hatte er bei Failes Gefangennahme einfach falsch reagiert. Statt Entscheidungen zu treffen, war er ihnen aus dem Weg gegangen. Meister Luhhan wäre von ihm enttäuscht gewesen.
Was ihn zu einer weiteren Entscheidung brachte, der schwersten von allen. Er würde Faile in die Gefahr reiten lassen müssen, sie vielleicht sogar erneut einem Risiko aussetzen. Zählte das überhaupt als Entscheidung? Konnte er so eine Entscheidung überhaupt treffen? Allein der Gedanke, sie wieder in Gefahr zu sehen, bereitete ihm Übelkeit. Aber er würde deswegen etwas tun müssen.
Drei Probleme. Er würde sich ihnen stellen, und er würde Entscheidungen treffen. Aber er würde vorher darüber nachdenken, denn so ging er die Dinge an. Ein Mann war ein Narr, wenn er Entscheidungen traf, ohne vorher zu überlegen.
Aber die Entscheidung, sich seinen Problemen zu stellen, brachte ihm einen gewissen Frieden, und er drehte sich auf die Seite und schlief wieder ein.
KAPITEL 22
Was man ihm noch antun konnte
S emirhage saß allein in dem kleinen Zimmer. Sie hatten ihr den Stuhl weggenommen und ihr weder eine Kerze noch eine Laterne gegeben.
Dieses verfluchte Zeitalter und seine verfluchten Menschen! Was hätte sie für Glühkugeln in den Wänden gegeben. Während ihrer Zeit hatte man Gefangenen kein Licht verweigert. Natürlich hatte sie mehrere ihrer Experimente in totale Finsternis gesperrt, aber das war etwas anderes gewesen. Es war einfach wichtig gewesen, zu sehen, welchen Einfluss das mangelnde Licht auf sie haben würde. Diese sogenannten Aes Sedai, die sie gefangen hielten, hatten keinen vernünftigen Grund, sie im Dunkeln einzusperren. Damit wollten sie sie nur demütigen.
Sie zog die Arme fester um den Körper und drückte sich gegen die Holzwand. Sie würde nicht weinen. Sie gehörte zu den Auserwählten! Dann hatte man sie eben gezwungen, sich zu demütigen! Aber man hatte keineswegs ihren Willen gebrochen.
Dennoch … diese albernen Aes Sedai betrachteten sie nun anders als zuvor. Semirhage hatte sich nicht verändert, aber die anderen schon. Irgendwie hatte diese verfluchte Frau mit dem Paralisnetz in ihrem Haar auf einen Schlag die ganze Autorität zunichtegemacht, die sie über den ganzen Haufen gehabt hatte.
Nur wie? Wie hatte sie so schnell die Kontrolle verlieren können? Die Erinnerung, von dieser Frau übers Knie gelegt und verdroschen zu werden, ließ sie erschaudern. Und mit welcher Lässigkeit das geschehen war. In der Stimme
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