Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
betrachtete es. »Das war jetzt schon das zweite Mal, dass diese Messer mein Blut geschmeckt haben.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte Rand an. »Du behauptest, man könnte dir nichts mehr antun? Du vergisst, mit wem du sprichst. Schmerzen sind meine Spezialität, und du bist noch immer kaum mehr als ein Junge. Ich habe Männer gebrochen, die zehnmal so stark wie du waren. Steh auf.«
Er gehorchte. Die Schmerzen waren nicht verschwunden. Offensichtlich wollte sie ihn weiter damit traktieren, bis sie eine Reaktion bekam.
Er drehte sich um, gehorchte ihren wortlosen Befehlen, und sah Min in der Luft hängen, mit unsichtbaren Stricken aus Luft gefesselt. In ihren Augen stand blanke Furcht, ein Knebel aus Luft verschloss ihren Mund, und ihre Arme waren auf den Rücken gebunden.
Semirhage kicherte. »Du sagst also, ich könnte dir nichts mehr antun?«
Rand ergriff Saidin – nicht weil er es wollte, sondern weil sie es befahl. Brausend strömte die Macht in ihn hinein und brachte die seltsame Übelkeit mit sich, die sich bis jetzt seinen Erklärungen entzog. Er fiel auf Hände und Knie und übergab sich heftig und stöhnend, während sich der Raum um ihn drehte.
»Wie seltsam«, hörte er Semirhage wie aus weiter Ferne sagen. Er schüttelte den Kopf und hielt die Eine Macht fest – rang mit ihr, wie er schon immer mit Saidin hatte ringen müssen, unterwarf den mächtigen, sich windenden Energiefluss seinem Willen. Als würde er einen Sturmwind in Ketten legen, und es war ihm schon schwergefallen, als er stark und gesund gewesen war. Jetzt war es beinahe unmöglich.
Benutze sie, flüsterte Lews Therin. Töte sie, solange wir es können!
Ich töte keine Frauen, dachte Rand stur, das Hirngespinst einer Erinnerung aus den Tiefen seines Bewusstseins. Das ist die Grenze, die ich nicht überschreiten werde …
Lews Therin brüllte auf und versuchte, ihm Saidin abzunehmen, blieb aber erfolglos. Tatsächlich musste Rand feststellen, dass er die Macht genauso wenig zielgerichtet lenken konnte, wie ohne Semirhages Erlaubnis einen Schritt zu tun.
Von ihr geleitet erhob er sich, das Zimmer wurde stabiler, die Übelkeit zog sich zurück. Und dann begann er Gewebe zu formen, komplizierte Gewebe aus Feuer und Geist.
»Ja …«, sagte Semirhage beinahe im Selbstgespräch. »Wenn ich mich nur daran erinnern kann … Manchmal ist die männliche Weise, das zu tun, so seltsam.«
Rand vollendete die Gewebe und schob sie dann Min entgegen. »Nein!«, brüllte er, während er es tat. »Nicht das!«
»Ah, siehst du«, sagte Semirhage. »Also warst du doch nicht so schwer zu brechen.«
Die Gewebe berührten Min, und sie wand sich vor Schmerzen. Rand lenkte weiter die Macht, und Tränen schossen aus seinen Augen, als er gezwungen wurde, die komplizierten Gewebe durch ihren Körper zu schicken. Sie riefen nur Qualen hervor, aber das machten sie sehr effektiv. Semirhage musste Mins Knebel aufgelöst haben, denn sie fing an zu schreien und zu weinen.
»Bitte, Rand!«, bettelte sie. »Bitte!«
Rand brüllte vor Wut auf, versuchte aufzuhören und konnte es nicht. Durch den Bund fühlte er Mins Qualen, fühlte, wie er sie verursachte.
»Hör damit auf!«, brüllte er.
»Bettle darum«, sagte Semirhage.
»Bitte«, sagte er weinend. »Bitte, ich flehe Euch an.«
Plötzlich hörte er auf; die Foltergewebe lösten sich auf. Min hing wimmernd in der Luft, die Augen ganz glasig von den erlittenen Schmerzen. Rand drehte sich um und wandte sich Semirhage und Elza neben ihr zu. Die Schwarze erschien entsetzt, als hätte sie sich in etwas verstrickt, auf das sie nicht vorbereitet gewesen war.
»Nun siehst du ein, dass du schon immer dafür bestimmt warst, dem Großen Herrn zu dienen«, sagte die Verlorene. »Wir werden dieses Zimmer verlassen und uns um die sogenannten Aes Sedai kümmern, die mich eingesperrt hatten. Wir werden zum Shayol Ghul Reisen und dich dem Großen Herrn übergeben, und dann kann das alles hier endlich sein Ende finden.«
Rand senkte den Kopf. Es musste einen Ausweg geben! Er stellte sich vor, wie sie ihn dazu benutzte, sich den Weg durch die Ränge seiner eigenen Männer zu bahnen. Er stellte sich vor, wie sie nicht angreifen wollten, weil sie fürchteten, ihn zu verletzen. Er sah das Blut, den Tod und die Zerstörung, die er anrichten würde. Und das alles verwandelte sein Inneres zu Eis.
Sie haben gewonnen.
Semirhage schaute zur Tür, dann wandte sie sich ihm wieder zu und lächelte. »Aber ich fürchte,
Weitere Kostenlose Bücher