Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
zuerst müssen wir uns um sie kümmern. Bringen wir es also hinter uns.«
Rand drehte sich um und fing an, auf Min zuzugehen. »Nein!«, sagte er. »Ihr habt versprochen, wenn ich bitte …«
Semirhage lachte. »Ich habe gar nichts versprochen. Du hast ja lieb und nett gebettelt, Lews Therin, aber ich habe mich entschieden, deine Bitten zu ignorieren. Allerdings kannst du Saidin jetzt loslassen. Das erfordert doch irgendwie eine persönliche Note.«
Saidin verlosch, und Rand fühlte bedauernd den Entzug der Macht. Die Welt um ihn herum erschien stumpfer. Er trat vor Min, ihr flehender Blick und der seine trafen sich. Dann legte er ihr die Hand um den Hals und drückte zu.
»Nein …«, flüsterte er entsetzt, als ihr seine Hand gegen seinen Willen die Luft abschnürte. Min stolperte, und er zwang sie zu Boden, ignorierte mühelos ihre Gegenwehr. Er überragte sie und hielt ihre Kehle, umklammerte sie und würgte sie. Sie starrte ihn an, und ihre Augen fingen an hervorzuquellen.
Das kann unmöglich geschehen.
Semirhage lachte.
Ilyena!, heulte Lews Therin. Oh, beim Licht! Ich habe sie getötet!
Rand drückte stärker zu, beugte sich vor, um noch besser Druck ausüben zu können; seine Finger umfassten Mins Haut und schnürten ihre Kehle zu. Es war, als umklammerte er sein eigenes Herz, und die Welt um ihn herum wurde dunkel, alles wurde dunkel außer Min. Er konnte ihren Puls unter seinen Fingern hämmern fühlen.
Ihre wunderschönen dunklen Augen ließen ihn nicht los, liebten ihn, selbst als er sie umbrachte.
Das kann unmöglich geschehen!
Ich habe sie getötet!
Ich bin wahnsinnig!
Ilyena!
Es musste einen Ausweg geben! Das musste es! Rand wollte die Augen schließen, aber er konnte es nicht. Sie ließ es nicht zu – nicht Semirhage, sondern Min. Sie hielt seinen Blick fest, Tränen liefen ihr die Wangen hinunter, die dunklen Locken waren zerzaust. So wunderschön.
Verzweifelt griff Rand nach Saidin , konnte es aber nicht erreichen. Mit jeder ihm zur Verfügung stehenden Unze Willenskraft versuchte er, seine Finger zu entspannen, aber sie drückten bloß weiter zu. Er fühlte Entsetzen, er fühlte ihren Schmerz. Mins Gesicht lief rot an, ihre Lider flatterten.
Rand wimmerte. DAS KANN UNMÖGLICH GESCHEHEN! ICH WERDE DAS NICHT NOCH EINMAL TUN!
Etwas zerbrach in ihm. Ihm wurde kalt; dann verschwand diese Kälte, und er fühlte nichts mehr. Keine Gefühle. Keine Wut.
Und in diesem Augenblick wurde er sich einer seltsamen Macht bewusst. Sie war wie ein Wasserreservoir, das direkt außerhalb seines Sichtfeldes brodelte und schäumte. Mit seinen Gedanken griff er danach.
Ein nebelverhülltes Gesicht blitzte vor ihm auf, mit Zügen, die er nicht genau erkennen konnte. Es war sofort wieder verschwunden.
Aber Rand fühlte sich mit einer fremden Macht gefüllt. Es war nicht Saidin , auch nicht Saidar , sondern etwas anderes. Etwas, das er noch nie zuvor gefühlt hatte.
Oh, beim Licht!, brüllte da plötzlich Lews Therin. Das ist unmöglich! Das können wir nicht benutzen! Wirf es von dir! Das ist der Tod, den wir da halten, Tod und Verrat!
Das ist Er!
Rand schloss die Augen, während er über Min kniete, dann lenkte er die seltsame unbekannte Macht. Energie und Leben durchfuhren ihn, ein reißender Strom aus Macht wie Saidin , nur zehnmal so süß und hundertmal so wild. Sie machte ihn lebendig, brachte ihm die Erkenntnis, dass er noch nie zuvor wirklich lebendig gewesen war. Sie verlieh ihm eine Kraft, wie er sie sich niemals hätte vorstellen können. Sie wetteiferte sogar mit der Macht, die er aus dem Choedan Kal gezogen und gehalten hatte.
Rand schrie auf, vor Entzücken und vor Wut, und webte gewaltige Speere aus Feuer und Luft. Rammte die Gewebe gegen den Kragen um seinen Hals. Und im Zimmer explodierten Flammen und geschmolzenes Metall, von dem er jedes einzelne Stück wahrnahm. Er spürte jeden einzelnen Splitter, der von seinem Hals fortschoss, die Luft mit seiner Hitze verformte und Rauch hinter sich herzog, bis er eine Wand oder den Boden traf. Er öffnete die Augen und ließ Min los. Sie keuchte und schluchzte.
Rand richtete sich auf und drehte sich um. Glühend heißes Magma floss durch seine Adern – genauso hatte es sich angefühlt, als Semirhage ihn gefoltert hatte, und doch war es das genaue Gegenteil davon. So schmerzvoll dies auch war, so war es auch die pure Ekstase.
Semirhage sah völlig fassungslos aus. »Aber … das ist unmöglich«, stammelte sie. »Ich habe nichts
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