Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
gefühlt. Du kannst unmöglich …« Sie schaute auf, starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Die Wahre Macht. Großer Herr, warum hast du mich verraten? Warum?«
Rand hob die Hand und webte von einer Macht erfüllt, die er nicht verstand, ein einziges Gewebe. Ein Streifen aus reinem weißen Licht, ein reinigendes Feuer, brach aus seiner Hand hervor und traf Semirhage an der Brust. Sie blitzte auf und verschwand, hinterließ einen blassen Abdruck in Rands Sicht. Ihr Armreif landete polternd auf dem Boden.
Elza rannte zur Tür. Sie verschwand durch einen weiteren Lichtstreifen, einen Augenblick lang verwandelte sich ihre ganze Gestalt in Licht. Auch ihr Armreif fiel zu Boden, und die Frau, die ihn gehalten hatte, war völlig aus dem Muster gebrannt worden.
Was hast du nur getan?, fragte Lews Therin. Oh, beim Licht. Es wäre besser gewesen, wir hätten wieder gemordet … Oh, beim Licht. Wir sind zum Untergang verurteilt.
Rand genoss die Macht noch einen Augenblick länger, dann ließ er sie bedauernd los. Er hätte sie gern noch weiter gehalten, aber er war einfach zu erschöpft dazu. Ihr Verschwinden hinterließ Taubheit in ihm.
Oder … Nein. Diese Taubheit hatte nichts mit der Macht zu tun, die er gehalten hatte. Er drehte sich um und sah auf Min hinunter, die leise hustete und sich den Hals rieb. Sie schaute zu ihm auf und schien Angst zu haben. Er bezweifelte, dass sie ihn jemals wieder so wie zuvor sehen würde.
Er hatte sich geirrt; tatsächlich hatte es doch noch etwas gegeben, das Semirhage ihm antun konnte. Er hatte gefühlt, wie er jemanden tötete, den er von ganzem Herzen liebte. Als er es einst als Lews Therin getan hatte, war er wahnsinnig und nicht dazu fähig gewesen, sich zu beherrschen. Er konnte sich kaum daran erinnern, wie er Ilyena ermordet hatte, das war wie in einem nebelhaften Traum gewesen. Erst nachdem Ishamael ihn erweckt hatte, hatte er überhaupt begriffen, was er da eigentlich getan hatte.
Endlich wusste er genau, wie es war, dabei zuzusehen, wie er die tötete, die er liebte.
»Es ist vollbracht«, flüsterte er.
»Was?«, fragte Min und hustete wieder.
»Das Letzte, was man mir antun konnte«, erwiderte er, überrascht, wie ruhig er doch war. »Jetzt haben sie mir alles genommen.«
»Rand, wovon sprichst du?«, fragte Min. Sie rieb sich wieder den Hals. Die ersten Schwellungen traten zum Vorschein.
Rand schüttelte nur den Kopf, als draußen im Korridor endlich Stimmen ertönten. Vielleicht hatten die Asha’man sein Machtlenken gespürt, als er Min gefoltert hatte.
»Ich habe meine Wahl getroffen, Min«, sagte er. »Du hast mich gebeten, zu lachen und nachgiebiger zu sein, aber damit ist es nun vorbei. Es tut mir leid.«
Vor Wochen hatte er entschieden, stärker werden zu müssen – wo er zuvor Eisen gewesen war, hatte er entschieden, zu Stahl zu werden. Anscheinend war Stahl aber zu schwach.
Er würde jetzt härter sein. Jetzt hatte er es begriffen. Wo er zuvor Stahl gewesen war, wurde er etwas anderes. Von jetzt an war er Cuendillar . Er hatte einen Ort betreten, der dem Nichts ähnelte, in das zu versinken ihm Tam vor so langer Zeit beigebracht hatte. Aber in diesem Nichts hatte er keine Gefühle. Überhaupt keine.
Sie konnten ihn nicht brechen oder verbiegen.
Es war vollbracht.
KAPITEL 23
Ein Schimmern in der Luft
W as ist mit den Schwestern, die ihre Zelle bewacht haben?«, fragte Cadsuane und stürmte neben Merise die Stufen empor.
»Corele und Nesune leben glücklicherweise noch, auch wenn sie außerordentlich schwach sind«, berichtete Merise und raffte die Röcke, während sie neben Cadsuane entlangeilte. Narishma folgte ihnen, und die Glöckchen am Ende seiner Zöpfe klirrten leise. »Daigian ist tot. Wir sind uns nicht sicher, warum man die anderen beiden am Leben gelassen hat.«
»Behüter«, sagte Cadsuane. »Töte die Aes Sedai, und ihre Behüter wissen es sofort – und wir hätten erfahren, dass etwas nicht stimmt.« Allerdings hätten die Behüter sowieso spüren müssen, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie würden die Männer verhören müssen, um zu erfahren, was sie gefühlt hatten. Da gab es bestimmt einen Zusammenhang.
Daigian hatte keinen lebenden Behüter. Cadsuane verspürte einen Stich des Bedauerns wegen der angenehmen Schwester, unterdrückte ihn aber. Dafür war jetzt keine Zeit.
»Die anderen beiden hat man in eine Art Trance versetzt«, fuhr Merise fort. »Spuren von Geweben konnte ich keine ausmachen, Narishma
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