Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
stürzen, mit oder ohne ihre Hilfe. Als Amyrlin bestand Egwenes Pflicht nicht darin, diesen Sturz zu beschleunigen – sondern alles in ihrer Macht Stehende zu tun, die Burg und ihre Bewohner zusammenzuhalten. Sie konnten es sich nicht leisten, sich noch weiter zu entzweien. Es war Egwenes Pflicht, das Chaos und die Zerstörung aufzuhalten, das sie alle bedrohte, die Burg neu zu schmieden. Als sie mit ihrer Suppe fertig war und das letzte Stück Brot dazu benutzte, den Rest aus der Schüssel zu wischen, begriff sie, dass sie tun musste, was auch immer sie tun konnte, um für die Schwestern in der Burg ein starker Halt zu sein. Die Zeit wurde sehr knapp. Was tat Rand der Welt ohne Führung an? Wann würden die Seanchaner im Norden angreifen? Sie würden sich einen Weg durch Andor bahnen müssen, um nach Tar Valon zu gelangen, und welche Zerstörung würde das anrichten? Sicherlich blieb ihr etwas Zeit, um die Burg wieder zu einer Einheit zu schmieden, aber es galt keinen Augenblick zu verschwenden.
Sie brachte ihr Geschirr in die Küche und wusch es selbst ab, was ihr ein zufriedenes Nicken von der stämmigen Herrin der Küchen einbrachte. Danach ging sie hinauf zu Silvianas Arbeitszimmer. Sie musste ihre Bestrafung schnell hinter sich bringen; sie hatte noch immer vor, Leane wie jeden Abend einen Besuch abzustatten. Sie klopfte und trat ein. Silviana saß an ihrem Schreibtisch, blätterte im Licht zweiter Silberlampen in einem dicken Buch. Als Egwene eintrat, markierte sie die Seite mit einem roten Stück Stoff, dann klappte sie das Buch zu. Auf dem abgenutzten Einband stand Meditationen über die flackernde Flamme , eine Geschichte über den Aufstieg verschiedener Amyrlin. Seltsam.
Egwene setzte sich auf den Stuhl vor dem Tisch – ohne durch den plötzlichen scharfen Schmerz von ihrem Hintern zusammenzuzucken – und berichtete ruhig von dem Abend, unterschlug die Tatsache, dass sie die Suppe absichtlich hatte fallen lassen. Allerdings erzählte sie, dass sie sie hatte fallen lassen, nachdem Elaida davon gesprochen hatte, die Drei Eide zu verändern.
Silviana sah sehr nachdenklich aus, als sie das hörte.
»Nun«, sagte sie dann, stand auf und holte ihren Riemen, »die Amyrlin hat gesprochen.«
»Ja, das habe ich«, erwiderte Egwene, stand auf und nahm die Position über dem Tisch ein, hob Röcke und Unterrock für die Prügelstrafe hoch.
Silviana zögerte, dann begann die Bestrafung. Seltsamerweise verspürte Egwene keinerlei Bedürfnis zu schreien. Natürlich schmerzte es, aber sie konnte einfach nicht schreien. Wie lächerlich diese Bestrafung doch war!
Sie erinnerte sich, wie es sie geschmerzt hatte, die Schwestern im Korridor aneinander vorbeigehen zu sehen, wie sie sich mit Furcht und Misstrauen ansahen. Sie erinnerte sich an die Qual, Elaida bedienen zu müssen und nichts sagen zu dürfen. Und sie erinnerte sich an das Entsetzen bei der Vorstellung, dass jeder in der Burg durch einen Eid daran gebunden war, einer solchen Tyrannin zu gehorchen.
Sie erinnerte sich an ihr Mitleid für die arme Meidani. Keine Schwester sollte auf diese Weise behandelt werden. Gefangenschaft war eine Sache. Aber eine Frau zu demoralisieren, mit ihr zu spielen, die kommende Folter anzudeuten? Das war unerträglich.
Jedes dieser Dinge schmerzte Egwene, wie ein Messer in ihrer Brust, das das Herz durchbohrte. Als die Prügel weitergingen, begriff sie, dass man ihrem Körper nichts antun konnte, das sich je mit der Pein ihrer Seele vergleichen ließ, die sie erlitten hatte, als sie sah, wie die Weiße Burg unter Elaidas Herrschaft litt. Verglichen mit diesen inneren Qualen waren die Prügel lächerlich.
Also fing sie an zu lachen.
Es war kein gezwungenes Lachen. Es war kein trotziges Lachen. Es war ein ungläubiges Lachen. Wie konnte man auf die Idee kommen, dass sie zu schlagen etwas ändern würde? Es war lächerlich.
Die Schläge hörten auf. Egwene drehte sich um. Sicherlich konnte das noch nicht alles sein.
Silviana sah sie besorgt an. »Kind? Was ist mit Euch?«
»Mir geht es gut.«
»Seid … Ihr sicher? Wie sind Eure Gedanken?«
Sie glaubt, ich bin unter dem Druck zusammengebrochen, begriff Egwene. Sie schlägt mich, und ich lache.
»Meinen Gedanken geht es gut«, sagte sie. »Ich lache nicht, weil man mich gebrochen hat, Silviana. Ich lache, weil es absurd ist, mich zu schlagen.«
Die Miene der Frau verfinsterte sich.
»Seht Ihr das denn nicht?«, fragte Egwene. »Fühlt Ihr den Schmerz nicht? Die
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