Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
die Prophezeiungen nicht von den Choedan Kal? Mit ihnen hatte er den Makel beseitigt. Der Zugangsschlüssel verschaffte Rand eine Macht, an die Callandor nicht annähernd heranreichte, und mit dieser Macht waren keine Bedingungen verknüpft. Die Statuette bedeutete Freiheit, aber Callandor war nur eine weitere Kiste. Doch in den Prophezeiungen wurden die Choedan Kal und ihre Schlüssel nicht erwähnt.
Rand fand das ärgerlich, denn in gewisser Weise waren die Prophezeiungen die größte und beengendste Kiste von allen. Er war in ihnen gefangen. Am Ende würden sie ihn ersticken.
Ich habe es ihnen gesagt …, flüsterte Lews Therin.
Was hast du ihnen gesagt?, wollte Rand wissen.
Dass der Plan nicht funktioniert. Lews Therins Stimme war ganz leise. Dass grobe Gewalt ihn nicht einsperren kann. Sie bezeichneten meinen Plan als ungestüm, aber diese Waffen, die sie erschufen, die waren zu gefährlich. Zu Furcht einflößend. Kein Mann sollte über eine solche Macht verfügen …
Rand kämpfte mit den Gedanken, der Stimme, den Erinnerungen. Er konnte sich nicht mehr an viele Einzelheiten von Lews Therins Plan erinnern, das Gefängnis des Dunklen Königs zu versiegeln. Die Choedan Kal – hatte man sie für diesen Zweck erbaut?
War das die Antwort? Hatte Lews Therin die falsche Entscheidung getroffen? Aber warum wurde das in den Prophezeiungen nicht erwähnt?
Rand drehte sich um, um das leere Gemach zu verlassen. »Ihr braucht diesen Raum nicht länger zu bewachen«, sagte er zu den Verteidigern. »Hier gibt es nichts mehr von Wert. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es das jemals gab.«
Die Männer sahen entsetzt oder gekränkt aus, wie Kinder, die ein geliebter Vater gerade gescholten hatte. Aber ein Krieg kam, und er würde keine Soldaten zurücklassen, um einen leeren Raum zu bewachen.
Rand biss die Zähne zusammen und betrat einen Korridor. Callandor . Wo hatte Cadsuane es nur versteckt? Er wusste, dass sie im Stein ein Zimmer bezogen hatte, wieder an die Grenzen seines Exils stieß. Er würde etwas dagegen unternehmen müssen. Sie vielleicht aus dem Stein werfen lassen. Er eilte eine Steintreppe hinauf und wählte einen beliebigen Korridor, bewegte sich weiter. Sich jetzt hinsetzen zu müssen würde ihn in den Wahnsinn treiben.
Er arbeitete unermüdlich daran, sich durch nichts Fesseln anlegen zu lassen, aber am Ende des Tages würden die Prophezeiungen dafür sorgen, dass er das tat, was er tun sollte. Sie waren manipulativer und hinterhältiger als jede Aes Sedai.
Zorn schoss in ihm hoch und wütete gegen seine Fesseln. Die leise Stimme in seinem Inneren zitterte in dem Sturm. Rand stützte den linken Arm gegen die Wand und senkte den Kopf.
»Ich werde stark sein«, flüsterte er. Aber der Zorn wollte nicht weichen. Und warum sollte er auch? Die Grenzländer widersetzten sich ihm. Die Seanchaner widersetzten sich ihm. Die Aes Sedai taten so, als würden sie ihm gehorchen, redeten aber hinter seinem Rücken mit Cadsuane und sprangen, wenn sie es befahl.
Von ihnen allen trotzte Cadsuane ihm am meisten. Blieb in seiner Nähe, setzte sich über seine Befehle hinweg, verdrehte seine Absichten. Er zog den Zugangsschlüssel hervor. Die Letzte Schlacht stand unmittelbar bevor, und er verbrachte die wenige ihm noch verbleibende Zeit damit, zu Treffen mit Leuten zu reiten, die ihn beleidigten. Jeden Tag löste der Dunkle König das Muster ein Stück weiter auf, und diejenigen, die geschworen hatten, die Grenzen zu schützen, versteckten sich in Far Madding.
Er schaute sich um, atmete schwer. Etwas an diesem Korridor erschien vertraut. Er war sich nicht sicher, warum das so war; er sah aus wie die anderen. Goldene und rote Teppiche. Voraus eine Kreuzung mit abzweigenden Gängen.
Vielleicht hätte er die Grenzländer ihren Widerstand nicht überleben lassen sollen. Vielleicht sollte er zurückgehen und dafür sorgen, dass sie ihn fürchten lernten. Aber nein. Er brauchte sie nicht. Er konnte sie den Seanchanern überlassen. Das Heer der Grenzländer würde seine Feinde hier im Süden aufhalten. Vielleicht würde es sogar die Seanchaner von seinen Flanken fernhalten, während er sich um den Dunklen König kümmerte.
Aber … gab es vielleicht eine Möglichkeit, die Seanchaner für immer aufzuhalten? Er betrachtete den Zugangsschlüssel in seiner Hand. Er hatte einmal versucht, die fremden Eroberer mit Callandor zu bekämpfen. Damals hatte er noch nicht gewusst, warum das Schwert so schwer zu kontrollieren
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