Das Rad der Zeit 13. Das Original: Mitternachtstürme (German Edition)
aufsuchte. Sie trug ein Silbertablett mit einem versiegelten Umschlag. »Mein Lord Gawyn?«
»Was ist das?«, fragte er, nahm den Brief und schnitt ihn mit dem Blutmesser auf.
»Aus Tar Valon«, erwiderte die Dienerin mit einer Verbeugung. »Es kam durch ein Wegetor.«
Gawyn entfaltete das dicke Papier. Er erkannte Silvianas Schrift.
Gawyn Trakand, stand dort zu lesen. Es hat die Amyrlin sehr verstimmt, entdecken zu müssen, dass Ihr abgereist seid. Man hat Euch nicht befohlen, die Stadt zu verlassen. Sie bat mich, Euch diesen Brief zu schicken und zu erklären, dass Ihr genug Zeit hattet, in Caemlyn dem Müßiggang zu frönen. Eure Anwesenheit in Tar Valon wird erfordert, und Ihr sollt sofort zurückkehren.
Gawyn las den Brief, dann las er ihn noch einmal. Egwene schrie ihn an, weil er ihre Pläne gestört hatte, warf ihn so gut wie aus der Burg, und sie war verstimmt, entdecken zu müssen, dass er die Stadt verlassen hatte?
Was erwartete sie denn von ihm? Beinahe hätte er laut gelacht.
»Mein Lord?«, fragte die Dienerin. »Möchtet Ihr eine Antwort schicken?«
Auf dem Tablett lagen Papier und Stift. »Man deutete an, dass eine erwartet wird.«
»Schickt Ihr das«, sagte Gawyn und warf das Blutmesser auf das Tablett. Plötzlich verspürte er diese ungeheure Wut, und sämtliche Gedanken an eine Rückkehr waren wie weggeblasen. Verfluchte Frau!
»Und sagt ihr«, fügte er nach kurzem Nachdenken hinzu, »dass der Attentäter ein Seanchaner ist und ein besonderes Ter’angreal trägt, mit dem man ihn im Schatten nur schwer sehen kann. Man soll am besten zusätzliche Lampen entzünden. Die anderen Morde waren Versuche, unsere Verteidigung zu prüfen. Sie ist das eigentliche Ziel. Betont, dass der Attentäter sehr gefährlich ist – aber nicht die Person, die sie dachte. Falls sie Beweise braucht, kann sie herkommen und mit den Seanchanern in Caemlyn sprechen.«
Die Dienerin sah verblüfft aus, aber als er nichts mehr sagte, zog sie sich zurück.
Er versuchte seine Wut zu zügeln. Er würde nicht zurückkehren, nicht jetzt. Nicht, wenn es so aussehen würde, als käme er nach ihrem Befehl zurückgekrochen. Sie hatte ihre »sorgfältigen Pläne und Fallen«. Sie hatte gesagt, sie würde ihn nicht brauchen. Dann würde sie eben eine Weile ohne ihn auskommen müssen.
KAPITEL 34
Das Urteil
I ch will die Kundschafter im Feld haben«, sagte Perrin energisch. »Selbst während des Prozesses.«
»Das wird den Töchtern nicht gefallen, Perrin Aybara«, erwiderte Sulin. »Nicht, wenn sie dadurch die Chance versäumen, mit den Speeren tanzen zu können.«
»Sie werden es trotzdem tun«, sagte Perrin und setzte seinen Gang durch das Lager fort, Dannil und Gaul an seiner Seite. Ihnen folgten Azi und Wil al’Seen, seine beiden Leibwächter des Tages.
Sulin musterte Perrin, dann nickte sie. »Es wird geschehen.« Sie ging.
»Lord Perrin«, fragte Dannil. Er roch nervös. »Worum geht es?«
»Das kann ich noch nicht sagen«, erwiderte Perrin. »Mit dem Wind stimmt etwas nicht.«
Dannil runzelte die Stirn und sah verwirrt aus. Nun, auch Perrin war verwirrt. Verwirrt und sich zusehends immer sicherer. Das erschien wie ein Widerspruch, aber es stimmte.
Im Lager herrschte Hektik, seine Heere sammelten sich, um den Weißmänteln entgegenzutreten. Nicht sein Heer, seine Heere . Zwischen ihnen herrschte so viel Uneinigkeit. Arganda und Gallenne rangelten um ihre Position, die Männer von den Zwei Flüssen verabscheuten die hinzugekommenen Söldnertrupps, die ehemaligen Flüchtlinge standen überall dazwischen. Und da waren natürlich die Aiel, die über allem standen und taten, wozu sie Lust hatten.
Ich löse die Heere auf, sagte sich Perrin. Was spielt das also noch für eine Rolle? Trotzdem störte es ihn. Es war eine schlampige Art und Weise, ein Lager zu führen.
Perrins Leute hatten sich größtenteils von der letzten Blase des Bösen erholt. Vermutlich würde keiner von ihnen jemals seine Waffen wieder auf die gleiche Weise betrachten, aber die Verwundeten waren Geheilt und die Machtlenker ausgeruht.
Die Weißmäntel waren über die Verzögerung, die vermutlich länger gedauert hatte als erwartet, nicht erfreut gewesen. Aber Perrin hatte die Zeit gebraucht, aus verschiedenen Gründen.
»Dannil«, sagte er. »Ich nehme an, meine Gemahlin hat Euch in ihre Pläne eingespannt, mich zu beschützen.«
Dannil zuckte zusammen. »Wie …«
»Sie braucht ihre Geheimnisse«, fuhr Perrin fort. »Die Hälfte bekomme
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