Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
und strich mit den Fingern über die verschwindende Zeltplane. »Nein«, sagte sie schließlich.
»Aber …«
»Wenn wir zusammen sein wollen, müsst Ihr lernen, das allein zu schaffen.«
»Wir werden nicht zusammen sein«, erwiderte er tonlos.
»Diese Macht werdet Ihr selbst brauchen, und sie muss aus Euch kommen«, sagte sie und ignorierte seine Worte. »Solange Ihr in nur einer der Welten gefangen seid, seid Ihr schwach; mit eigener Kraft herkommen zu können, wann immer Ihr wollt, wird Euch große Macht verleihen.«
»Macht ist mir egal, Lanfear«, erwiderte er und beobachtete sie, wie sie weiterhin unbeschwert herumspazierte. Sie war hübsch. Natürlich nicht so hübsch wie Faile. Trotzdem konnte man sie als Schönheit bezeichnen.
»Wirklich?« Sie sah ihn an. »Habt Ihr Euch nie gefragt, was Ihr mit mehr Kraft, mehr Macht und mehr Autorität alles erreichen könntet?«
»Das würde mich nicht reizen …«
»Leben retten?«, fuhr sie fort. »Kinder vor dem Hungertod bewahren? Dafür sorgen, dass die Schwachen nicht länger unterdrückt werden, der Sündhaftigkeit ein Ende bereiten, Ehre belohnen? Die Macht, Männer dazu zu ermuntern, ehrlich und offen miteinander umzugehen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ihr könntet so viel Gutes tun, Perrin Aybara«, sagte sie, trat auf ihn zu, berührte seine Wange und strich dann mit den Fingern durch seinen Bart.
»Lehrt mich, das zu tun, was der Schlächter tut«, sagte Perrin und stieß ihre Hand fort. »Wie bewegt er sich zwischen den Welten?«
»Das kann ich Euch nicht erklären.« Sie wandte sich ab. »Das ist eine Fertigkeit, die ich nie erlernen musste. Ich benutze andere Methoden. Vielleicht könnt Ihr es ja aus ihm herausprügeln. Ich würde mich beeilen, vorausgesetzt, Ihr wollt Graendal aufhalten.«
»Sie aufhalten?«
»Ist Euch das denn nicht klar geworden?« Lanfear wandte sich ihm wieder zu. »Der Traum, in den sie eindrang, gehörte keinem der Leute aus diesem Lager – Ort und Distanz spielen in Träumen keine Rolle. Dieser Traum, in den Ihr sie habt eindringen sehen … er gehört Davram Bashere. Dem Vater Eurer Frau.«
Und mit diesen Worten verschwand Lanfear.
KAPITEL 23
Am Rand der Zeit
G awyn zog eilig an Egwenes Schulter. Warum wollte sie nicht gehen? Wer auch immer dieser Mann in der Rüstung aus Silberscheiben war, er konnte Machtlenkerinnen spüren. Leane hatte er aus der Finsternis gepflückt; das Gleiche konnte er mit Egwene machen. Licht, er würde es vermutlich tun, sobald sie ihm auffiel.
Wenn sie sich nicht bewegt, werfe ich sie mir über die Schulter. Das Licht helfe mir, ich tue es, ganz egal, wie viel Lärm das auch macht. Sie erwischen uns sowieso, wenn wir nicht …
Der Mann, der sich Bao nannte, setzte sich in Bewegung und zog die noch immer in Luft gefesselte Leane mit sich. Die anderen folgten ihm und ließen die schrecklichen, verkohlten Überreste der anderen Gefangenen zurück.
»Egwene?«, flüsterte er.
Sie sah ihn mit kalter Entschlossenheit im Blick an und nickte. Licht! Wie konnte sie so ruhig sein, wo er doch die Zähne aus Angst, sie könnten klappern, zusammenbeißen musste?
Auf dem Bauch schoben sie sich unter dem Wagen hervor. Egwene blickte in die Richtung der Sharaner. Durch den Bund strömte ihre Selbstbeherrschung in seinen Geist. Dafür war der Name des Mannes verantwortlich, der in ihr einen plötzlichen Stich des Entsetzens ausgelöst hatte, dem eine grimmige Entschlossenheit gefolgt war. Wie hatte dieser Name noch einmal gelautet? Barid soundso? Gawyn glaubte, ihn schon einmal gehört zu haben.
Er wollte Egwene aus dieser Todesfalle herausschaffen. Er legte ihr den Behüterumhang um die Schultern. »Der beste Weg hier hinaus liegt direkt im Osten«, flüsterte er. »Am Kantinenzelt vorbei, jedenfalls seinen Überresten, dann weiter zum Lagerrand. Sie haben neben unserem Reisegelände einen Wachtposten eingerichtet. Den umgehen wir nach Norden.«
Sie nickte.
»Ich kundschafte, du folgst. Falls ich irgendetwas sehe, werfe ich ein Steinchen in deine Richtung. Achte darauf, ob es irgendwo landet, in Ordnung? Zähl bis zwanzig, dann komm ganz langsam hinter mir her.«
»Aber …«
»Du kannst nicht als Erste gehen; was ist, wenn wir auf diese Machtlenker stoßen? Ich muss die Führung übernehmen.«
»Dann zieh wenigstens den Umhang an«, zischte sie.
»Das geht schon so«, flüsterte er und verschwand, bevor sie weiterdebattieren konnte. Er fühlte ihren Ärger und würde sich
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