Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
in der Nähe des Pfades stand.
Dieser Aiel trat nun gänzlich aus dem Schatten. Auch er hatte seinen Schleier gesenkt. »Ich dachte, ich hätte etwas in der Nähe dieser Zelte gehört, Aes Sedai«, sagte er. Er hatte einen seltsamen Akzent, der irgendwie merkwürdig war. Aber nur einen Hauch. Ein Feuchtländer würde den Unterschied niemals erkennen.
Das sind keine Aiel, dachte Aviendha. Sie sind etwas anderes. Ihr Verstand rang mit der Vorstellung. Aiel, die keine Aiel waren? Männer, die die Macht lenken konnten?
Die Männer, die wir ausschickten! Diese Erkenntnis kam ihr voller Entsetzen. Männer, die bei den Aiel die Macht lenken konnten und entdeckt wurden, wurden losgeschickt, um zu versuchen, den Dunklen König zu vernichten. Allein auf sich gestellt zogen sie in die Fäule. Niemand wusste, was danach mit ihnen passierte.
Aviendha wehrte sich wieder und versuchte ein Geräusch zu machen, ganz egal was, um Cadsuane zu warnen. Vergeblich. Verschnürt hing sie in der Dunkelheit in der Luft, und die Aes Sedai blickte nicht in ihre Richtung.
»Und, habt Ihr etwas gefunden?«, fragte Cadsuane den Mann.
»Nein, Aes Sedai.«
»Ich spreche mit den Wächtern.« Cadsuane klang hörbar unzufrieden. »Wir müssen wachsam sein. Gelänge es einem Draghkar oder noch schlimmer einem Myrddraal, sich ins Lager zu schleichen, könnten sie Dutzende töten, bevor man sie entdeckt.«
Cadsuane drehte sich um und ging. Aviendha schüttelte den Kopf, Tränen der Wut in den Augen. So nahe!
Der Rotschleier, der mit Cadsuane gesprochen hatte, schlüpfte zurück in die Schatten und kam zu Aviendha. Ein Blitz enthüllte das Lächeln auf seinem Gesicht, das dem des Mannes entsprach, der sie gefesselt hielt.
Der Rotschleier vor ihr zog einen Dolch aus dem Gürtel und hob die Hand. Hilflos musste sie zusehen, wie sich die Klinge ihrem Hals näherte.
Sie spürte Machtlenken.
Übergangslos verschwanden ihre Fesseln, und sie fiel zu Boden. Noch im Sturz schnappte sie sich die Messerhand des Mannes, und er riss die Augen auf. Obwohl sie urtümlicher Instinkt wild die Quelle umarmen ließ, waren ihre Hände bereits in Bewegung. Sie verdrehte das Handgelenk und brach die Knochen, die Hand und Arm miteinander verbanden. Mit ihrer anderen Hand fing sie das Messer auf und rammte es ihm ins Auge, während er vor Schmerzen aufbrüllte.
Der Schrei brach ab. Der Rotschleier brach zusammen, und sie schaute besorgt zu dem anderen hinüber – der Mann, der sie mit seinen Geweben gehalten hatte. Er lag tot am Boden.
Keuchend eilte sie zu dem Pfad, wo sie auf Cadsuane stieß.
»Es ist so einfach, das Herz eines Mannes anzuhalten«, sagte Cadsuane mit verschränkten Armen. Sie erschien unzufrieden. »Dem Heilen so ähnlich, aber genau der gegenteilige Effekt. Vielleicht ist das ja etwas Böses, aber ich habe nie begriffen, wieso das schlimmer sein soll, als jemanden mit Feuer zu Asche zu verbrennen.«
»Aber wie?«, stieß Aviendha hervor. »Wie konntet Ihr erkennen, was sie sind?«
»Ich bin keine schlecht ausgebildete Wilde«, erwiderte Cadsuane. »Ich hätte sie gern niedergeschlagen, als ich eintraf, aber ich musste vorher sichergehen. Als der eine Euch mit dem Messer bedrohte, wusste ich Bescheid.«
Aviendha atmete ein und aus und versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen.
»Und da war natürlich noch der andere. Der, der die Macht lenkte. Wie viele Aiel-Krieger können insgeheim die Macht lenken? War das eine Ausnahme, oder hat Euer Volk sie verborgen gehalten?«
»Was? Nein! Das tun wir nicht. Vielmehr haben wir es nicht getan.« Aviendha war sich nicht sicher, wie sie nun verfahren würden, da die Quelle gereinigt worden war. Mit Sicherheit sollte man keine Männer mehr allein losschicken, damit sie gegen den Dunklen König kämpften.
»Seid Ihr sicher?«, fragte Cadsuane tonlos.
»Ja!«
»Schade. Das hätte ein großer Vorteil für uns sein können.« Die Aes Sedai schüttelte den Kopf. »Es hätte mich nicht überrascht, nicht nach diesen Enthüllungen über die Windsucherinnen. Das waren also ganz normale Schattenfreunde, von denen einer bloß seine Fähigkeit im Machtlenken verborgen gehalten hat? Was hatten sie heute Nacht vor?«
»Das sind alles andere als gewöhnliche Schattenfreunde«, sagte Aviendha leise und untersuchte die Leichen. Rote Schleier. Der Mann, der die Macht hatte lenken können, wies spitz zugefeilte Zähne auf, was für die anderen beiden nicht galt. Was hatte das zu bedeuten?
»Wir müssen Alarm
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