Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
Machtlenker zuschlugen, flohen sie zurück in die Sicherheit des Passes.
Wie dem auch sei, Aviendha war für diesen seltenen Augenblick der Ruhe und des relativen Friedens zwischen den Angriffen dankbar. Sie starrte in diese Höhlenöffnung im Berg, in der Rand kämpfte. Tief aus dem Berginneren drang ein starker Puls; dort wurde viel Macht in Wellen gelenkt. Draußen waren mehrere Tage vergangen, aber wie viel Zeit war dort drinnen verstrichen? Ein Tag? Stunden? Minuten? Töchter, die den Pfad zum Eingang bewachten, berichteten, dass nach ihrer Rückkehr ins Tal dort unten doppelt so viele Stunden vergangen waren.
Wir müssen durchhalten, dachte Aviendha. Wir müssen kämpfen. Ihm so viel Zeit verschaffen, wie wir nur können.
Zumindest wusste sie, dass er noch lebte. Das konnte sie fühlen. Genau wie seinen Schmerz.
Sie schaute weg.
Dabei bemerkte sie etwas. Im Lager lenkte eine Frau die Macht. Es war nur schwach zu spüren, aber Aviendha runzelte die Stirn. Zu dieser Stunde und ohne Kampfhandlungen hätte die Eine Macht lediglich auf dem Reisegelände gelenkt werden dürfen, und das war die falsche Richtung.
Leise vor sich hin murmelnd, setzte sie sich in Bewegung. Vermutlich war das wieder eine der dienstfreien Windsucherinnen. Sie wechselten sich darin ab, die Schale der Winde ununterbrochen zu benutzen, um den Sturm unter Kontrolle zu halten. Diese Aufgabe wurde oben auf der nördlichen Talwand durchgeführt, und die Frauen wurden gut von einer großen Streitmacht Meervolk bewacht. Schichtwechsel war nur mit Wegetoren möglich.
Wenn die Windsucherinnen nicht mit der Schale zugange waren, kampierten sie ebenfalls im Lager. Aviendha hatte ihnen immer wieder eingehämmert, dass sie im Tal nicht die Macht lenken durften. Man sollte glauben, dass sie, nachdem sie diese vielen Jahre damit verbracht hatten, sich niemals von einer Aes Sedai beim Gebrauch ihrer Kräfte erwischen zu lassen, über mehr Selbstbeherrschung verfügten! Wenn sie noch eine dabei erwischte, wie sie mit der Einen Macht ihren Tee aufwärmte, würde sie sie zu einer Unterweisung zu Sorilea schicken. Das sollte ein sicheres Lager sein.
Aviendha erstarrte mitten im Schritt. Dieses Machtlenken kam nicht vom kleinen Kreis der Zelte, wo die Windsucherinnen untergebracht waren.
Hatte sie einen Infiltrationsversuch gespürt? Ein Schattenlord oder eine Verlorene würde vermutlich von der Voraussetzung ausgehen, dass es in einem mit so vielen Aes Sedai, Windsucherinnen und Weisen Frauen gefüllten Lager niemandem auffallen würde, wenn eine winzige Menge Macht gelenkt wurde. Aviendha ging neben einem Zelt in die Hocke und mied das Licht einer auf einem Pfosten steckenden Lampe. Wieder flackerte das Machtlenken auf. Es war kaum zu spüren. Sie schlich weiter.
Sollte sich herausstellen, dass sich jemand Wasser für ein Bad warm macht …
Lautlos bewegte sie sich zwischen den Zelten. Als sie näher kam, zog sie die Stiefel aus und ließ sie zurück, dann zog sie das Messer aus der Scheide. Sie konnte nicht riskieren, die Quelle zu umarmen; schließlich wollte sie ihre Beute nicht alarmieren.
Im Grunde schlief das Lager gar nicht. Die dienstfreien Krieger fanden hier einfach keinen guten Schlaf. Erschöpfung bei den Speeren wurde langsam zu einem Problem, selbst bei den Töchtern. Alle beklagten sich über schreckliche Träume.
Aviendha schlich lautlos an Zelten vorbei und mied jene, in denen Licht brannte. Dieser Ort war für jeden unerträglich, also überraschte sie es nicht, von Albträumen zu hören. Wie sollte man so nahe am Domizil des Dunklen Königs in Frieden schlafen?
Wenn sie die Angelegenheit vernünftig betrachtete, wusste sie, dass sich der Dunkle König nicht in der Nähe befand, jedenfalls nicht richtig. Darum ging es bei der Bohrung nicht. Er lebte nicht an diesem Ort; er existierte außerhalb des Musters in seinem Kerker. Trotzdem war jede Nachtruhe hier wie der Versuch einzuschlafen, während ein Mörder mit gezückter Klinge neben dem Bett stand und über deine Haarfarbe nachsann.
Da, dachte sie und wurde langsamer. Das Machtlenken erlosch, aber sie war ganz nahe. Draghkar-Angriffe und mögliche Bedrohungen durch Myrddraal, die sich nachts einschlichen, hatte die Lagerbefehlshaber veranlasst, die Offiziere überall im Lager in Zelten unterzubringen, die nicht anzeigten, ob sie einem Kommandanten oder einem ganz normalen Fußsoldaten gehörten. Aber Aviendha wusste, dass es sich um das Zelt von Darlin Sisnera handelte.
Nach
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