Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
Freiheit.
»Hebt sie höher!«, rief Doesine. »Und zwar verdammt schnell!«
Leane gehorchte, webte mit den anderen Schwestern Erde. Vor ihnen erbebte der Boden, zog sich wie ein verrutschter Teppich zusammen. Sie vollendeten ihr Werk, dann benutzten sie den Hügel als Deckung, als oben vom Hang Feuer in die Tiefe regnete.
Doesine führte die bunt zusammengewürfelte Gruppe an. Ungefähr ein Dutzend Aes Sedai, eine Handvoll Behüter und Soldaten. Die Männer umklammerten ihre Waffen, aber in letzter Zeit hatten die sich ungefähr als so nützlich erwiesen wie ein Laib Brot. In der Luft knisterte die Macht. Das improvisierte Bollwerk bebte, als die Sharaner es mit Feuer eindeckten.
Leane hielt die Eine Macht umklammert und warf einen Blick über die Deckung. Sie hatte sich von ihrer Begegnung mit dem Verlorenen Demandred erholt. Es war eine erschütternde Erfahrung gewesen – er hatte sie völlig in seiner Gewalt gehabt, und ihr Leben hätte jeden Augenblick ausgelöscht werden können. Die Intensität seiner geifernden Tiraden hatte sie ebenfalls verstört; so etwas wie seinen Hass auf den Wiedergeborenen Drachen hatte sie noch nie erlebt.
Eine Gruppe Sharaner bewegte sich den Hang hinunter und schleuderte Gewebe auf das provisorische Bollwerk. Leane schnitt einen Strang aus der Luft wie ein Feldscher fauliges Fleisch. Sie war viel schwächer in der Einen Macht als früher.
Sie musste nun viel effizienter Macht lenken. Es war erstaunlich, was eine Frau alles mit weniger erreichen konnte.
Das Bollwerk explodierte.
Leane warf sich zur Seite, als Erdklumpen herabregneten. Hustend rollte sie sich durch die Rauchschwaden und klammerte sich an Saidar fest. Es waren diese sharanischen Männer! Sie konnte ihre Gewebe nicht wahrnehmen. Sie rappelte sich auf. Die Explosion hatte ihr Kleid zerrissen, ihre Arme waren voller Kratzer. In einer nahen Erdspalte schimmerte etwas Blaues. Doesine. Sie eilte zu ihr.
Sie fand den Körper der Frau dort. Aber nicht ihren Kopf.
Ein beinahe überwältigendes Gefühl von Trauer und Verlust überfiel Leane. Doesine und sie hatten sich nicht nahegestanden, aber sie hatten hier zusammen gekämpft. Der Verlust, die Zerstörung – es zermürbte Leane. Wie viel konnte sie noch davon ertragen? Wie viele musste sie noch sterben sehen?
Mühsam riss sie sich zusammen. Beim Licht, das war eine Katastrophe. Feindliche Schattenlords hatten sie erwartet, aber da waren Aberhunderte von diesen Sharanern. Die Machtlenker einer ganzen Nation, alle für den Krieg gedrillt. Das Schlachtfeld war mit hellen Farbflecken übersät, alles tote Aes Sedai. Ihre Behüter stürmten den Hügel empor und brüllten den Zorn über den Verlust ihrer Aes Sedai heraus, während sie von der Macht niedergemäht wurden.
Leane stolperte zu einer Gruppe Roter und Grüner, die aus einem ausgehöhlten Graben auf dem Westhang kämpften. Im Augenblick beschützte sie das Gelände, aber wie lange konnten diese Frauen durchhalten?
Trotzdem verspürte sie Stolz. In der Unterzahl und überfordert kämpften die Aes Sedai weiter. Das hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der Nacht, in der die Seanchaner angegriffen hatten, als eine gespaltene Burg von innen zerbrochen worden war. Diese Frauen hielten stand; wurde eine Gruppe auseinandergetrieben, sammelte sie sich wieder und kämpfte weiter. Feuer fiel vom Himmel, aber genauso viel flog zurück, und Blitze schlugen auf beiden Seiten ein.
Leane suchte sich behutsam einen Weg zu der Gruppe und kam zu Raechin Connoral, die neben einem Felsen kauerte, während sie Feuer auf die vorrückenden Sharaner schleuderte. Leane hielt nach feindlichen Geweben Ausschau, dann wehrte sie eines mit einem schnellen Strang Wasser ab, das den Feuerball zu winzigen Funken zerfallen ließ.
Raechin nickte ihr zu. »Und dabei glaubte ich immer, Ihr wärt zu nichts mehr nütze, außer Männern schöne Augen zu machen.«
»Die Kunst der Domani liegt darin, sein Ziel zu erreichen«, sagte Leane kühl, »mit so wenig Aufwand wie möglich.«
Raechin schnaubte und schleuderte noch ein paar neue Feuerbälle auf den Feind. »Da sollte ich Euch demnächst um Rat fragen«, sagte sie. »Falls es eine Möglichkeit gibt, Männer dazu zu bringen, das zu tun, was man will, würde ich das sehr gern wissen.«
Die Vorstellung war so absurd, dass Leane trotz der schrecklichen Umstände beinahe lachen musste. Eine Rote? Die sich schminkte und die Domani-Kunst der Manipulation erlernte? Nun, warum nicht?, dachte Leane
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