Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
»Ah, da seid Ihr ja! Ich habe den anderen schon gesagt, dass Ihr über die Verteidigung von Arafel sprechen werdet.«
»Hört besser zu«, sagte Mezar. »Das wird wichtig für die Letzte Schlacht.«
»Vielleicht kehre ich zurück«, erwiderte Androl mit kühler Stimme. »Sobald ich meine restliche Arbeit erledigt habe.«
Die beiden Männer starrten sich an. An der Seite hielt Nalaam noch immer die Eine Macht. Seine Stärke entsprach Mezars, aber er würde sich nicht ihm und Welyn stellen können – vor allen Dingen nicht in einem Raum voller Leute, die vermutlich die Partei der beiden vollwertigen Asha’man ergreifen würden.
»Verschwendet Eure Zeit doch nicht mit dem Pagen, Welyn«, sagte Coteren. Mishraile machte Platz für den dritten Neuankömmling. Der stämmige Mann mit den Knopfaugen legte eine Hand gegen Androls Brust und stieß ihn im Vorbeigehen zur Seite. »Halt, wartet. Ihr könnt den Pagen gar nicht mehr spielen, oder?«
Androl versenkte sich in das Nichts und ergriff die Quelle.
Sofort gerieten die Schatten im Raum in Bewegung. Wurden länger.
Hier gab es nicht genug Licht! Warum hatten sie nicht mehr Lampen? Die Dunkelheit lud nur diese Schatten ein, und er konnte sie sehen . Sie waren real, ein jeder ein Tentakel aus Finsternis, der nach ihm griff. Um ihn in sie hineinzuzerren und zu vernichten.
Beim Licht! Ich bin wahnsinnig. Ich bin wahnsinnig …
Das Nichts zerbrach, und die Schatten zogen sich gnädigerweise zurück. Er fand sich am ganzen Leib zitternd und keuchend an der Wand wieder. Pevara betrachtete ihn mit ausdrucksloser Miene, aber er konnte ihre Besorgnis fühlen.
»Ach, übrigens«, sagte Coteren. Er war einer von Taims einflussreichsten Speichelleckern. »Habt Ihr es schon gehört?«
»Was gehört?«, schaffte es Androl vorzustoßen.
»Ihr seid degradiert worden, Page«, sagte Coteren und deutete auf den Schwertanstecker. »Taims Befehl. Ab heute. Jetzt seid Ihr wieder Soldat, Androl.«
»O ja«, rief Welyn von der Raummitte. »Es tut mir leid, aber das vergaß ich zu erwähnen. Ich fürchte, das ist mit dem Lord Drachen abgeklärt worden. Ihr hättet niemals befördert werden dürfen, Androl. Tut mir leid.«
Androl griff zum Kragen, zu dem Anstecker. Er hätte ihm nichts bedeuten sollen; was bedeutete er schon?
Aber es spielte eine Rolle. Sein ganzes Leben hatte er mit einer Suche verbracht. Er hatte in einem Dutzend verschiedener Handwerke als Lehrling gearbeitet. Er hatte in Rebellionen gekämpft, war über zwei Meere gesegelt. Und hatte die ganze Zeit über gesucht, hatte nach etwas gesucht, das er selbst nicht benennen konnte.
Als er die Schwarze Burg betreten hatte, hatte er es gefunden.
Er verdrängte die Furcht. Verflucht sollten die Schatten sein! Erneut griff er nach Saidin , und die Macht flutete in ihn hinein. Er nahm Haltung an, erwiderte Coterens Blick.
Der größere Mann lächelte und ergriff ebenfalls die Eine Macht. Mezar folgte seinem Beispiel, und Welyn stand auf. Nalaam flüsterte besorgt mit sich selbst, und seine Blicke huschten hin und her. Canler griff mit resignierter Miene nach Saidin .
Was Androl halten konnte, floss in ihn hinein – so viel er von der Einen Macht ergreifen konnte. Verglichen mit den anderen war es eine lächerliche Menge. Er war der schwächste Mann im Raum; die jüngsten Rekruten konnten mehr bewältigen als er.
»Du willst es also versuchen?«, fragte Coteren leise. »Ich bat sie, dich in Ruhe zu lassen, weil ich wusste, dass du es irgendwann versuchst. Ich wollte die Befriedigung, Page. Komm schon. Schlag zu. Mach es.«
Androl griff aus sich heraus und versuchte, die eine Sache zu bewerkstelligen, die er konnte, ein Wegetor zu erschaffen. Für ihn war das etwas, das über die Gewebe hinausging. Da waren nur er und die Macht, etwas Intimes, etwas Instinktives .
Im Moment ein Wegetor zu machen fühlte sich wie der Versuch an, eine hundert Fuß hohe Glasmauer nur mithilfe der Fingerspitzen zu erklimmen. Er sprang, kraxelte, bemühte sich . Nichts geschah. Dabei war er so nahe dran: Falls er nur noch ein kleines bisschen stärker drückte, konnte er …
Die Schatten wuchsen. Wieder stieg die Panik in ihm auf. Mit zusammengebissenen Zähnen griff Androl zum Kragen und riss den Anstecker ab. Er ließ ihn vor Coteren auf den Boden fallen. Es klirrte leise. Niemand im Raum sagte ein Wort.
Dann begrub er seine Schande unter einem Berg Entschlossenheit, ließ die Eine Macht los und drängte sich an Mezar vorbei in die
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