Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Schnaps gebrauchen.«
Edorion drehte seinen Helm in den von Kampfhandschuhen geschützten Händen und machte eine finstere Miene. »Lord Drache, die Stadt kann sich zwar noch eine Weile halten, aber selbst wenn diese Aiel hier gegen die anderen kämpfen, frage ich mich, wie Ihr sie rechtzeitig dorthin bringen wollt? Ich glaube, zehn oder zwölf Tage sind ein wenig übertrieben. Ich kam in Wirklichkeit nur mit, weil ich lieber mit einem Speer im Leib sterben möchte, als in Gefangenschaft zu geraten, wenn sie einmal über die Mauer sind. Die Stadt ist mit Flüchtlingen überfüllt, die sich vor den Aiel retten wollten. In der ganzen Stadt ist kein Hund und keine Taube mehr zu finden, und ich glaube nicht, dass es dort bald noch Ratten geben wird. Das einzig Gute an der ganzen Sache ist, dass keiner mehr danach zu fragen scheint, wer den Sonnenthron besteigen wird, seit dieser Couladin vor den Toren steht.«
»Am zweiten Tag hat er uns aufgefordert, dass wir uns dem, ›Der mit der Morgendämmerung kommt‹, ergeben«, warf Daricain ein, was ihm einen scharfen Blick Edorions einbrachte.
»Couladin veranstaltet Menschenjagden mit den Gefangenen«, sagte Estean. »Außer Reichweite der Bogenschützen, aber so, dass jeder auf der Mauer zusehen kann. Man kann sie sogar schreien hören. Das Licht senge meine Seele, ich weiß nicht, ob er einfach unsere Moral untergraben will oder ob es ihm Spaß macht. Manchmal lassen sie Bauern zur Stadt hin rennen, und dann, wenn sie fast in Sicherheit sind, spicken sie die armen Leute mit Pfeilen. Soweit Cairhien irgendjemandem Sicherheit bieten kann. Zwar sind es nur Bauern, aber …« Er verstummte und schluckte schwer, als habe er sich gerade daran erinnert, was Rand von der Bemerkung ›nur Bauern‹ hielt. Rand blickte ihn einfach nur an, aber er schien unter diesem Blick zu schrumpfen und murmelte nur etwas von Schnaps vor sich hin.
Edorion sprach in die plötzliche Stille hinein: »Mein Lord Drache, der springende Punkt ist doch, dass sich die Stadt halten kann, bis Ihr kommt, falls Ihr schnell kommt. Wir haben die erste Angriffswelle nur zurückgeschlagen, weil das Vortor in Flammen aufging …«
»Das Feuer hätte beinahe die gesamte Stadt erfasst«, warf Estean ein. Das Vortor, eine Stadt für sich außerhalb der Stadtmauer Cairhiens, war zumeist aus Holz erbaut gewesen, wie sich Rand erinnerte. »Es wäre zur Katastrophe gekommen, wenn der Fluss nicht wäre.«
Der andere Tairener redete einfach weiter: »… aber Lord Meilan hat die Verteidigung gut organisiert, und die Leute aus Cairhien scheinen im Moment auch den Mut nicht zu verlieren.« Das brachte ihm finstere Blicke von Meresin und Daricain ein, die er entweder nicht bemerkte oder aber nicht zu bemerken vorgab. »Mit Glück sieben Tage, vielleicht auch höchstens acht. Wenn Ihr …« Ein tiefer Seufzer ließ Edorions rundliche Figur einen Moment lang schlanker erscheinen. »Ich habe aber kein einziges Pferd gesehen«, sagte er mehr zu sich selbst. »Die Aiel reiten nicht. Ihr werdet niemals in der Lage sein, ein Heer zu Fuß in so kurzer Zeit hinzuführen.«
»Wie lange?«, fragte Rand Rhuarc.
»Sieben Tage«, war die Antwort. Mangin nickte, und Estean lachte.
»Verflucht, so lange haben wir gebraucht, um herzureiten! Wenn Ihr glaubt, den Weg zu Fuß genauso schnell zurücklegen zu können, müsst Ihr …« Er wurde sich der Blicke der Aiel bewusst, die auf ihm ruhten, und so strich er sich wieder nervös die Haare aus dem Gesicht. »Gibt es in dieser Stadt irgendwo Schnaps?«, murrte er.
»Wichtig ist nicht, wie schnell wir den Weg zurücklegen«, sagte Rand ruhig, »sondern wie schnell Ihr das könnt, wenn wir ein paar Eurer Männer zu Fuß mitnehmen und die anderen deren Pferde zum Wechseln benützen können. Ich will Meilan und Cairhien wissen lassen, dass Hilfe auf dem Weg ist. Doch diejenigen, die das unternehmen, müssen sicher sein, dass sie den Mund halten können, falls die Shaido sie gefangennehmen. Ich will Couladin nicht mehr wissen lassen, als er von selbst herausbekommen kann.« Estean wurde noch bleicher als die beiden aus Cairhien.
Meresin und Daricain lagen beide wieder auf den Knien, und jeder umfasste eine von Rands Händen, um sie zu küssen. Er ließ es mit so viel Geduld zu, wie er eben aufbringen konnte. Einer von Moiraines Ratschlägen, die wirklich vernünftig gewesen waren, hatte besagt, er solle möglichst nicht gegen die Sitten der Menschen verstoßen, wie eigenartig und
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