Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
die das Wasser vom Schilf trennte, vielleicht acht oder zehn Schritt breit, war ausgetrocknet und gesprungen. Er spähte zu den Wolken hoch, die vor dem Mond vorbeitrieben. Er könnte ja versuchen, diese Wolken zum Abregnen zu bringen. Die beiden Brunnen im Ort waren ausgetrocknet, und in einem Drittel aller noch nicht restlos verseuchten Wasserlöcher fand sich nur Staub. Versuchen war allerdings der richtige Ausdruck. Er hatte schon einmal Regen erzeugt, aber das Schwierige war eben, sich noch daran zu erinnern, wie er das fertig gebracht hatte. Gelang es ihm, konnte er als Nächstes versuchen, aus dem Regen keine allesverschlingende Flut zu machen und ihn diesmal auch nicht von einem bäumezerfetzenden Sturm begleiten zu lassen.
Asmodean konnte ihm nicht helfen, denn wie es schien, verstand er nicht viel vom Wetter. Bei allem, was er ihm beibrachte, tauchten gleich zwei neue Fragen auf, bei denen Asmodean hilflos die Hände hob oder sich geschlagen gab und ihm versprach, sich damit zu beschäftigen.
Einst hatte er die Verlorenen für allwissend, für beinahe allmächtig gehalten. Aber wenn die anderen wie Asmodean waren, dann hatten sie wohl alle ihre Schwächen und Wissenslücken. Es konnte sogar sein, dass er bereits jetzt über manche Dinge mehr wusste als sie. Oder jedenfalls mehr als einige von ihnen. Das Problem war nur, herauszufinden, wem er auf welchem Gebiet überlegen war. Semirhage beispielsweise konnte mit dem Wetter fast genauso wenig anfangen wie Asmodean.
Ihn fror, als befinde er sich im Dreifachen Land mit seinen kalten Nächten. Asmodean hatte ihm nie etwas über solche Dinge berichtet. Besser, dem Wasser zu lauschen und nicht nachzudenken, damit er heute Nacht überhaupt Schlaf fand.
Sulin näherte sich ihm. Sie hatte sich die Shoufa um die Schultern gehängt und ihr kurzgeschnittenes weißes Haar entblößt. So lehnte sie sich ans Brückengeländer. Die drahtige Tochter des Speers war voll gerüstet mit Pfeil und Bogen, Speeren, Messer und Schild. Sie hatte heute Abend das Kommando über seine Leibwache übernommen. Zwei Dutzend oder noch mehr Far Dareis Mai hockten etwa zehn Schritt entfernt ganz entspannt auf der Brücke. »Eine seltsame Nacht«, sagte sie. »Wir haben gespielt, aber mit einem Mal hat jede nur noch Sechser gewürfelt.«
»Es tut mir leid«, erwiderte er ohne nachzudenken, und sie warf ihm einen eigenartigen Blick zu. Natürlich hatte sie keine Ahnung; er hatte nichts weitererzählt. Die Wellen, die von ihm als Ta’veren ausgingen, breiteten sich nicht regelmäßig, sondern oft scheinbar dem Zufall gehorchend aus. Wenn sie Bescheid wüssten, würden sich selbst die Aiel nicht mehr näher als zehn Meilen bei ihm aufhalten wollen. Heute war der Boden unter drei Steinhunden plötzlich zusammengebrochen, und sie waren in eine Schlangengrube gestürzt, doch die vielen Dutzend Bisse hatten stets nur die Kleidung getroffen. Ihm war klar, dass der Grund dafür in ihm lag und in der Art und Weise, wie er den Zufall beeinflusste. Tal Nethin, der Sattler, hatte Taien überlebt, aber diesen Mittag war er über einen Stein gestolpert und hatte sich beim Sturz auf dem ebenen, grasbewachsenen Boden das Genick gebrochen. Rand fürchtete, auch das sei seine Schuld gewesen. Andererseits hatten Bael und Jheran endlich die Blutfehde zwischen den Shaarad und den Goshien beendet, während er gemeinsam mit ihnen im Gehen ein Mittagsmahl einnahm – das übliche Trockenfleisch. Sie konnten sich deshalb noch immer nicht leiden und verstanden selbst wohl kaum, was sie da getan hatten, aber es war vollbracht, ganz korrekt mit Versprechen und Wassereid, wobei jeder der beiden Männer dem anderen den Becher zum Trinken hingehalten hatte. Bei den Aiel galt ein Wassereid mehr als jeder andere. Es mochte Generationen dauern, bis sich Shaarad und Goshien wieder einmal überfielen, um sich gegenseitig Schafe oder Ziegen oder Rinder zu stehlen.
Er hatte sich oft gefragt, ob diese Zufälligkeiten jemals auch zu seinen Gunsten wirken würden. Vielleicht war diesmal schon das Äußerste erreicht. Was heute sonst noch alles geschehen sein mochte, das ihm zuzuschreiben war, wusste er nicht. Er fragte auch nicht danach und wollte nichts hören. Die Baels und Jherans konnten den Tod Tal Nethins auch nicht wiedergutmachen.
»Ich habe Enaila und Adelin schon tagelang nicht mehr gesehen«, sagte er. Jeder Themenwechsel war ihm recht. Und diese beiden hatten sonst ihre Plätze als Leibwächterinnen an seiner Seite
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