Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
je erblickt hatte. Der tollste, stärkste, mächtigste … Superlative überschwemmten ihren Verstand und ertränkten ihn.
Gaebril beachtete Morgases Abgang genauso wenig wie sie. Er nahm sich den Stuhl, auf dem die Königin gesessen hatte, und setzte sich bequem darauf zurecht, die Beine ausgestreckt. »Erzählt mir, warum Ihr nach Caemlyn gekommen seid, Alteima.« Wieder durchlief sie ein Beben. »Die absolute Wahrheit, aber macht es kurz. Ihr könnt mir später noch Einzelheiten berichten, wenn ich sie brauchen sollte.«
Sie zögerte nicht. »Ich habe versucht, meinen Mann zu vergiften, und musste fliehen, bevor Tedosian und diese Schlampe Estanda mich stattdessen umbringen oder noch Schlimmeres mit mir anstellen konnten. Rand al’Thor wollte es ihnen gestatten, um ein Exempel zu statuieren.« Beim Erzählen krümmte sie sich unwillkürlich zusammen. Das aber nicht, weil es ein so wohlbehütetes Geheimnis gewesen war – nein, mehr als alles auf der Welt wollte sie ihm eine Freude machen, und sie fürchtete, er werde sie wegschicken. Doch er wollte die Wahrheit von ihr. »Ich habe Caemlyn zum Ziel genommen, weil ich Illian nicht ertragen kann, und obwohl Andor auch nicht viel besser ist, wurde Cairhien beinahe ganz zerstört. In Caemlyn kann ich einen reichen Mann finden, oder einen, der meinen Beschützer spielen möchte, wenn es notwendig ist, und dann seine Macht benützen, um …«
Er unterbrach sie mit einer Handbewegung und schmunzelte dabei. »Eine hinterhältige kleine Katze, aber hübsch. Vielleicht hübsch genug, um dich zu behalten, wenn ich dir vorher die Zähne und Klauen ziehe.« Plötzlich wurde sein Gesichtsausdruck eindringlicher. »Berichte mir alles, was du weißt, über Rand al’Thor und besonders über seine Freunde, falls er welche hat, seine Begleiter und Verbündete.«
So berichtete sie, sprach, bis ihr die Kehle austrocknete und ihre Stimme rau und erschöpft klang. Sie hob ihren Becher solange nicht, bis er ihr sagte, sie solle trinken. Dann kippte sie den Wein herunter und sprach weiter. Sie würde es ihm ganz bestimmt recht machen. Sie würde ihm mehr Befriedigung verschaffen, als es Morgase im Traum einfiel.
Die Zofen, die Morgases Bettgemach herrichteten, knicksten hastig und überrascht, sie mitten am Vormittag hier anzutreffen. Sie winkte sie aus dem Raum und legte sich voll angezogen auf ihr Bett. Eine Weile lag sie nur da und betrachtete die vergoldeten Schnitzereien an den Bettpfosten. Hier waren nicht die Löwen von Andor zu sehen, sondern Rosen. Sie standen für die Rosenkrone von Andor, und überhaupt hatte sie mehr für Rosen übrig als für Löwen.
Sei nicht so stur, befahl sie sich selbst, und dann fragte sie sich, warum. Sie hatte Gaebril gesagt, sie sei müde, und … Oder hatte er das zu ihr gesagt? Unmöglich. Sie war die Königin von Andor, und kein Mann befahl ihr etwas. Gareth. Warum musste sie ausgerechnet jetzt an Gareth Bryne denken? Er hatte ihr bestimmt nie etwas befohlen; der Generalhauptmann der Königlichen Garde gehorchte der Königin und nicht umgekehrt. Aber stur war er schon gewesen, hatte sich manchmal gegen ihre Entscheidungen gestemmt, bis sie schließlich ihre Meinung geändert hatte. Warum muss ich an ihn denken? Ich wünschte, er sei hier. Das war doch lächerlich. Sie hatte ihn fortgeschickt, weil er ihren Befehlen zuwiderhandelte. Sie wusste nicht mehr genau, worum es gegangen war, aber das war nicht so wichtig. Er hatte sich gegen sie gestellt. Sie konnte sich nur vage an ihre Gefühle ihm gegenüber erinnern, als sei er schon jahrelang weg. So lange konnte es doch noch nicht her sein? Sei nicht so stur! Ihre Augen schlossen sich, und sie schlief augenblicklich ein. Ihr Schlaf wurde durch rastlose Träume gestört, in denen sie vor etwas davonlief, was sie nicht sehen konnte.
KAPITEL 2
Rhuidean
H och droben in der Stadt Rhuidean blickte Rand al’Thor aus einer der großen Fensteröffnungen. Das Glas, oder was auch immer einst in das Fenster eingesetzt gewesen war, war schon lange nicht mehr da. Die Schatten tief unter ihm zeigten nach Osten. Im Zimmer hinter ihm klimperte leise die Laute eines Barden. Der Schweiß an seiner Stirn verdunstete beinahe so schnell, wie er auf seine Haut trat. Sein rotseidener Mantel – zwischen den Schulterblättern feucht vom Schweiß – stand offen wie eine vergebliche Einladung für jeden Luftzug, und das Hemd hatte er bis weit auf die Brust hinunter aufgebunden. Die Nacht in der Aiel-Wüste würde
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