Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
herumlag, interessierte Rand nicht. Er hatte das, was er brauchen konnte, bereits in Sicherheit gebracht. Auf gewisse Weise hatte er sogar mehr mitgenommen, als er wollte.
Im Mittelpunkt des Platzes, nahe den verbrannten Überresten eines großen, hundert Fuß hohen Baums, stand ein kleiner Wald aus Glassäulen, jede beinahe so hoch wie der Baum und so schlank, dass es schien, der erste Windstoß müsse sie alle zum Umstürzen bringen. Obwohl der Rand des Schattens sie bereits berührte, fingen und reflektierten sie den Sonnenschein glitzernd und funkelnd. Ungezählte Jahre lang hatten Aielmänner diesen gläsernen Wald betreten und waren wie Rand gezeichnet daraus hervorgekommen, doch nur an einem Arm und damit als Clanhäuptlinge bestätigt. Sie kamen gezeichnet zurück, oder sie kehrten überhaupt nicht wieder. Auch Aielfrauen hatten sich in diese Stadt begeben, um Weise Frauen zu werden. Sonst niemand. Kein anderer hätte es überlebt. Ein Mann kann ein einziges Mal nach Rhuidean gehen, eine Frau zweimal; mehr würde den Tod bringen. Das hatten die Weisen Frauen behauptet, und damals entsprach es der Wahrheit. Nun konnte jeder Rhuidean betreten.
Hunderte von Aiel gingen auf den Straßen einher, und eine ständig anwachsende Zahl wohnte sogar in den Gebäuden. Jeden Tag konnte er beobachten, wie auf immer größeren Flächen der Erdstreifen in der Mitte der Straße Bohnen sprossen, oder Kürbisse oder Zemai , die sorgfältig und sparsam aus Tongefäßen gegossen wurden. Das Wasser holte man aus dem großen neuen See, der das Südende des Tals ausfüllte – dem einzigen solchen Gewässer im ganzen Land. Tausende lagerten an den umliegenden Hängen, selbst am Chaendaer, zu dem sie vorher nur zu großen Zeremonien gepilgert waren, um von dort aus einen einzelnen Mann oder eine einzelne Frau nach Rhuidean zu schicken.
Wohin er auch ging, überall brachte Rand Veränderungen und Zerstörungen mit sich. Diesmal hoffte er trotz allem, dass die Veränderung Gutes gebracht hatte. Es konnte doch immer noch alles gut werden. Der verbrannte Baum sprach allerdings seinen Bemühungen Hohn: Avendesora , der legendäre ›Baum des Lebens‹. Die Legenden erwähnten nie, wo er sich befand, und es war eine große Überraschung gewesen, ihn hier vorzufinden. Moiraine behauptete, es sei immer noch Leben in ihm und er werde wieder sprießen, doch bisher sah er nur geschwärzte Rinde und kahle Äste.
Seufzend wandte er sich vom Fenster ab dem großen Raum zu, der wohl nicht der größte in Rhuidean war, aber mit seinen hohen Fenstern auf beiden Seiten und mit der Kuppeldecke, die als Mosaik mit Bildern von geflügelten Menschen und Tieren ausgelegt war, wirkte er doch sehr geräumig. Die meisten in der Stadt zurückgebliebenen Möbel waren selbst in dieser trockenen Luft der Zeit zum Opfer gefallen, und das wenige, was noch übrig war, war wurmstichig und wimmelte von Käfern. Nur auf der gegenüberliegenden Seite des Raums stand ein solider, vollständig erhaltener Stuhl mit hoher Lehne, sogar mit kaum abgeblätterter Vergoldung. Er passte allerdings nicht zu dem davorstehenden Tisch, einer breiten Holzfläche, deren Beine und Ecken durch Schnitzereien in Blumenform verziert waren. Jemand hatte das Holz mit Bienenwachs poliert, bis es trotz seines Alters matt schimmerte. Die Aiel hatten diese Möbelstücke für ihn aufgespürt und die Köpfe geschüttelt ob solcher Verschwendung. Es gab in der Wüste nur wenige Bäume, von denen die langen, geraden Hölzer stammen konnten, aus denen der Stuhl gebaut war, und schon gar keine, die dem Tisch Pate gestanden hätten.
Das waren bereits sämtliche Möbelstücke, die er als solche betrachtete. Im Mittelpunkt des Raums lag auf den dunkelroten Bodenfliesen ein schöner Teppich illianischer Handarbeit, ganz in Blau und Gold gehalten, der wohl nach einer lang vergessenen Schlacht als Beutestück mitgebracht worden war. Überall lagen Kissen aus bunter Seide und mit Fransen auf dem Boden verstreut. Sie wurden von den Aiel statt Stühlen benützt, wenn sie nicht gerade nur einfach auf den Fersen hockten, was für sie genauso bequem war wie ein Polstersessel.
Sechs Männer saßen auf den Kissen auf dem Teppich. Sechs Clanhäuptlinge, und sie vertraten die Clans, die bisher erschienen waren, um Rands Ruf Folge zu leisten. Oder genauer, um demjenigen, ›Der mit der Morgendämmerung kommt‹, Folge zu leisten. Nicht immer gern. Er nahm an, dass Rhuarc, ein breitschultriger, blauäugiger Mann
Weitere Kostenlose Bücher