Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
mit kräftigen weißen Strähnen im dunkelroten Haar für ihn Freundschaft empfand, aber die anderen gewiss nicht. Und es waren nur sechs von den zwölf Clans.
Rand missachtete den Stuhl und setzte sich mit übergeschlagenen Beinen den Aiel gegenüber hin. Außerhalb Rhuideans waren die einzigen Stühle in der ganzen Wüste die der Clanhäuptlinge, die nur von ihnen und nur aus drei Gründen benützt wurden: um zum Clanhäuptling ausgerufen zu werden, um die ehrenvolle Unterwerfung eines Gegners entgegenzunehmen oder um Gericht zu halten. Wenn er vor diesen Männern jetzt den Stuhl benützte, würde das heißen, einer dieser drei Gründe träfe zu. Sie trugen alle den Cadin’sor , Mantel und Hose in verschiedenen Grau- und Braunschattierungen, deren Farbe dem Boden in der Wüste angepasst war, und weiche, bis zum Knie geschnürte Stiefel. Selbst hier und bei einem Treffen mit dem Mann, den sie selbst zum Car’a’carn , zum Häuptling aller Häuptlinge, ausgerufen hatten, hatte jeder ein Messer mit breiter, schwerer Klinge am Gürtel und die graubraune Shoufa wie ein Halstuch umgehängt. Falls ein Mann sein Gesicht mit dem schwarzen Schleier verhüllte, der ein Teil der Shoufa war, hieß das, er sei zum Töten bereit. Und das war keineswegs ausgeschlossen. Diese Männer hatten in einem nie endenden Zyklus von Überfällen und Schlachten und Fehden gegeneinander gekämpft. Sie beobachteten ihn, warteten auf ihn, aber die Wartehaltung eines Aiel sprach immer von Kampfbereitschaft, von schnellem und tödlichem Zuschlagen.
Bael, der größte Mann, den Rand je gesehen hatte, und Jheran, schlank wie eine Klinge und schnell wie eine Natter, lagen so weit wie überhaupt auf dem Teppich möglich voneinander entfernt. Zwischen Baels Goshien und Jherans Shaarad herrschte Blutfehde. Sie war wohl durch die Anwesenheit des Car’a’carn ausgesetzt, aber keineswegs vergessen. Und vielleicht hielt auch noch der Friede von Rhuidean, trotz allem, was geschehen war. Dennoch bildeten die lieblichen Klänge der Laute einen harten Kontrast zu der Weigerung Baels und Jherans, einander auch nur anzublicken. Sechs Augenpaare, blau oder grün oder grau, in sonnenverbrannten Gesichtern; neben den Aiel wirkte selbst ein Habicht noch zahm.
»Was muss ich tun, um Reyn für mich zu gewinnen?«, fragte er. »Ihr wart doch sicher, dass er kommen werde, Rhuarc.«
Der Häuptling der Taardad blickte ihn gelassen an. Sein Gesicht war so ausdruckslos, dass es hätte aus Stein gemeißelt sein können. »Wartet. Einfach nur warten. Dhearic wird sie herbringen. Nach einer Weile.«
Der weißhaarige Han, der neben Rhuarc saß, verzog den Mund, als wolle er ausspucken. Sein wettergegerbtes Gesicht zeigte wie immer einen säuerlichen Ausdruck. »Dhearic hat schon bei zu vielen Männern und Töchtern des Speers zusehen müssen, wie sie tagelang dasaßen und in die Luft starrten und dann ihre Speere wegwarfen. Weggeworfen haben sie sie!«
»Und dann sind sie weggelaufen«, fügte Bael leise hinzu. »Ich habe selbst welche gesehen unter den Goshien, sogar aus meiner eigenen Sept, die wegliefen. Genau wie Ihr, Han, unter den Tomanelle. Wir alle haben zuschauen müssen, wie das geschah. Ich glaube nicht, dass ihnen klar ist, wohin sie rennen oder wovor sie weglaufen.«
»Feige Schlangen«, fauchte Jheran. Sein hellbraunes Haar war bereits mit Grau durchsetzt. Es gab keine jungen Männer unter den Clanhäuptlingen der Aiel. »Stinkottern, die sich vor den eigenen Schatten davonwinden.« Ein Seitenblick zum gegenüberliegenden Ende des Teppichs machte klar, dass er damit die Goshien meinte und nicht nur diejenigen, die ihre Speere weggeworfen hatten. Bael machte Anstalten, sich zu erheben, wobei sich sein Gesicht womöglich noch mehr verhärtete, aber sein Nebenmann legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. Bruan von den Nakai war groß und stark genug für zwei Grobschmiede, doch er hatte eine ruhige und friedliche Natur, die gar nicht zu den Aiel zu passen schien. »Wir alle haben Töchter und Männer weglaufen sehen.« Wie er es sagte, klang es beinahe schläfrig, genau wie seine grauen Augen dreinblickten, doch Rand wusste es besser. Selbst Rhuarc betrachtete Bruan als einen tödlichen Gegner und einen gewiegten Taktiker. Glücklicherweise war er neben Rhuarc Rands wichtigste Stütze. Oder besser: er folgte dem Mann, ›Der mit der Morgendämmerung kommt‹, während er Rand al’Thor kaum kannte. »Genau wie Ihr, Jheran. Ihr wisst, wie schwer es war,
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