Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
bei den Aiel üblich waren, wenn man uneingeladen in die Wüste kam. Nur Gaukler, Händler und Kesselflicker hatten uneingeschränkt Zugang, obwohl die Aiel die Kesselflicker mieden wie die Pest. Shara nannten sie die Länder jenseits der Wüste. Nicht einmal die Aiel wussten viel über sie.
Aus dem Augenwinkel sah Rand zwei Frauen, die erwartungsvoll gerade innerhalb des hohen Türbogens standen. Jemand hatte einen Vorhang aus mit bunten Glasperlen behängten Schnüren angebracht, rot und blau, um die fehlende Tür zu ersetzen. Eine der Frauen war Moiraine. Einen Augenblick lang überlegte er sich, ob er sie warten lassen solle. Moiraine hatte wieder diesen aufreizenden Kommandoblick an sich und erwartete offensichtlich, dass sie alles unterbrächen, um sie anzuhören. Andererseits war aller Diskussionsstoff ohnehin verbraucht, und sie sah wohl auch den Männern an, dass sie keine Lust zum Plaudern hatten. Nicht jetzt, wo man gerade an die Trostlosigkeit und die Shaido denken musste.
Seufzend stand er auf, und die Häuptlinge taten es ihm nach. Alle außer Han waren genauso groß oder noch größer als er. Wo Rand aufgewachsen war, hätte man Hans Größe als durchschnittlich oder sogar etwas überdurchschnittlich betrachtet, während er unter den Aiel als klein galt. »Ihr wisst, was Ihr zu tun habt. Holt die restlichen Clans her und behaltet die Shaido im Auge.« Er schwieg einen Moment lang und fügte dann hinzu: »Es wird schon gut ausgehen. So gut für die Aiel, wie ich es nur fertigbringe.«
»Es wurde geweissagt, dass Ihr uns vernichten werdet«, sagte Han mürrisch, »und Ihr habt gut damit begonnen. Und doch werden wir Euch folgen. Bis der Schatten verflogen«, zitierte er, »bis das Wasser versickert ist, in den Schatten hinein mit gebleckten Zähnen, bis zum letzten Atemzug Widerspruch schreiend, um am Letzten Tag dem Sichtblender ins Auge zu spucken.« Sichtblender war eine der Aielbezeichnungen für den Dunklen König.
Rand blieb nichts anderes übrig, als eine geziemende Antwort zu geben. Einst hatte er sie nicht gekannt. »Bei meiner Ehre und dem Licht wird mein Leben zum Dolch im Herzen des Sichtblenders werden.«
»Bis zum Letzten Tag«, beendete der Aiel die zeremoniellen Sätze, »und zum Shayol Ghul selbst.« Der Harfner spielte friedlich weiter. Die Häuptlinge drängten sich an den beiden Frauen vorbei, wobei sie Moiraine mit respektvollen Blicken bedachten. Sie hatten aber offensichtlich keine Angst vor ihr. Rand wünschte, er besäße ebenso viel Selbstsicherheit. Moiraine hatte zu viele Pläne für ihn, zu viele Möglichkeiten, ihn als Marionette zu benützen, ohne dass er es überhaupt bemerkte.
Die beiden Frauen traten ein, sobald die Häuptlinge weg waren. Moiraine wirkte so kühl und elegant wie immer: eine kleine, hübsche Frau, ob mit oder ohne die typische Alterslosigkeit der Aes Sedai. Sie hatte das feuchte Tuch zur Kühlung ihrer Schläfen abgelegt. Stattdessen hing auf ihrer Stirn an einer feinen goldenen Kette, die in ihrem dunklen Haar befestigt war, ein kleiner blauer Edelstein. Es hätte aber auch nichts bedeutet, wenn sie an dieser Stelle das Tuch belassen hätte; nichts konnte ihre königliche Haltung mindern. Sie erschien allen für gewöhnlich einen Fuß größer, als sie tatsächlich war, und in ihren Augen standen Selbstvertrauen und Überlegenheit.
Die andere Frau war größer, wenn sie ihm auch nicht bis an die Schulter reichte, und jung, also keineswegs alterslos. Es war Egwene, mit der er aufgewachsen war. Nun konnte sie sich fast, wenn man die großen, dunklen Augen missachtete, als Aielfrau ausgeben, und das nicht nur ihres sonnenverbrannten Gesichts und der Hände wegen. Sie trug den bei den Aiel üblichen Rock aus brauner Wolle und eine lose hängende weiße Bluse aus einer Pflanzenfaser, die Algode genannt wurde. Algode war weicher als selbst die feinstgesponnene Wolle. Falls er je die Aiel dazu bringen konnte, wäre das eine hervorragende Handelsware. Um Egwenes Schultern hing ein graues Dreieckstuch, und sie hatte sich ein ebenfalls graues Tuch zusammengerollt und um die Stirn gebunden, das ihr schulterlanges, dunkles Haar zurückhielt. Anders als die Aielfrauen trug sie aber nur einen Armreif aus Elfenbein, in Form eines Flammenringes geschnitzt, und nur eine einzige Halskette aus Gold mit Elfenbeinperlen. Und noch etwas: einen Großen Schlangenring an der linken Hand.
Egwene hatte sich von einigen Weisen Frauen der Aiel ausbilden lassen. Rand wusste
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