Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
anderen Seite der Welt liebäugeln damit, all unsere Länder hier zu erobern. Die Menschen tragen ihre eigenen kleinkarierten Kämpfe aus, obwohl Tarmon Gai’don vor der Tür steht. Wir brauchen Frieden. Zeit, bevor die Trollocs kommen, bevor der Dunkle König ausbricht, Zeit, um uns vorzubereiten. Falls der einzige Weg, den ich finde, um der Welt die nötige Zeit und den nötigen Frieden zu schenken, der ist, dass ich sie dazu zwinge, dann werde ich das tun. Ich will das nicht, aber ich bin fest dazu entschlossen.«
»Ich habe den Karaethon-Zyklus gelesen«, sagte Bashere. Er klemmte sich die Pokale einen Moment lang unter den Arm, brach das wächserne Siegel auf dem Krug und schenkte dann den Wein ein. »Was noch wichtiger ist, Königin Tenobia hat die Prophezeiungen ebenfalls gelesen. Ich kann nicht für Kandor, Arafel oder Shienar sprechen, wenn ich auch glaube, dass sie sich Euch anschließen werden, denn es gibt in den Grenzlanden wohl kaum ein Kind, das nicht weiß, dass in der Fäule der Schatten darauf wartet, sich auf uns niederzusenken, aber für sie kann ich mich nicht verbürgen.« Enaila betrachtete den Pokal, den er ihr übergab, misstrauisch, aber sie schritt doch die Treppe hinauf und gab ihn an Rand weiter. »Um die Wahrheit zu sagen«, fuhr Bashere fort, »kann ich nicht einmal für Saldaea sprechen. Tenobia herrscht, und ich bin nur ihr General. Doch ich glaube, wenn ich einen schnellen Reiter mit einer Botschaft zu ihr schicke, wird die Antwort zurückkommen, dass Saldaea gemeinsam mit dem Wiedergeborenen Drachen in den Kampf zieht. In der Zwischenzeit biete ich Euch meine Dienste an und die von neuntausend berittenen Soldaten aus Saldaea.«
Rand drehte den Pokal in seiner Hand und blickte auf den dunkelroten Wein. Sammael in Illian und andere Verlorene irgendwo, das Licht allein mochte wissen, wo. Die Seanchaner warteten jenseits des Aryth-Meeres, und hier waren Männer bereit, alles zu ihrem eigenen Vorteil und Profit zu unternehmen, ohne Rücksicht darauf, was es die Welt kosten würde. »Der Friede ist noch weit entfernt«, sagte er leise. »Noch einige Zeit lang wird es Blutvergießen und Tod geben.«
»Das ist doch immer so«, erwiderte Bashere ruhig, und Rand wusste nicht, welche der beiden Aussagen er damit bestätigen wollte. Vielleicht beide.
Asmodean klemmte sich die Laute unter den Arm und entfernte sich langsam von Mat und Aviendha. Er spielte gern, aber nicht für Leute, die ihm gar nicht zuhörten und seine Musik nicht einmal annähernd zu schätzen wussten. Er war nicht sicher, was eigentlich an diesem Morgen vorgefallen war, und er war nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte. Zu viele Aiel hatten ihrer Überraschung Ausdruck gegeben, dass er noch am Leben sei, und sie behaupteten, ihn tot am Boden liegen gesehen zu haben. Er wollte lieber keine Einzelheiten hören. In der Wand vor ihm war ein langer Riss, fast ein Schnitt, zu sehen. Ihm war klar, was eine solch scharfe Kante verursachte, eine solch glatte Oberfläche, dass sie wie Eis wirkte, glatter als das, was eine Hand in hundert Jahren des Polierens erreichen könnte.
Ganz nebenbei – obwohl ihn dabei schauderte – fragte er sich, ob eine Wiedergeburt auf diese Weise einen neuen Menschen aus ihm gemacht habe. Er glaubte allerdings nicht daran. Die Unsterblichkeit war verloren. Das war ein Geschenk des Großen Herrn gewesen. Diese Bezeichnung benützte er in Gedanken, gleich, was al’Thor ansonsten von ihm verlangte. Das war Beweis genug, dass er noch er selbst war. Die Unsterblichkeit verloren … Er wusste, dass es wohl reine Einbildung war, wenn er manchmal das Gefühl hatte, die Zeit zerre ihn auf ein Grab zu, von dem er sich auf ewig sicher geglaubt hatte. Und wenn er das wenige an Saidin in sich aufnahm, was ihm noch blieb, war es, als trinke er Jauche. Es tat ihm wohl kaum leid, dass Lanfear tot war. Dasselbe galt für Rahvin, doch für Lanfear ganz besonders, nach allem, was sie ihm angetan hatte. Auch der Tod der anderen würde ihm bestenfalls ein Lachen entlocken, vor allem dann, wenn der Letzte an der Reihe war. Er war ganz und gar nicht als neuer Mensch wiedergeboren worden, so viel war ihm klar, und deshalb würde er sich an dieses Grasbüschel am Rande der Klippe klammern, solange er nur konnte. Irgendwann würden die Wurzeln nachgeben, und der lange Absturz stünde ihm bevor; bis dahin aber lebte er noch.
Er öffnete eine kleine Seitentür und wollte die Speisekammer suchen. Dort sollte es doch
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