Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Kick nach rechts, dann nach rechts vorwärtsgleiten. Linkes Knie hoch, wieder ein leichter Kick nach links, dann nach links vorwärtsgleiten. Betse lachte hingerissen, als sie sich auf diese Art wieder den Musikern näherten. Mit jedem Durchlauf wurden die Schritte komplizierter, doch er musste es ihr jeweils nur einmal zeigen, und dann tat sie es ihm gleich, lag leicht wie eine Feder bei jeder Drehung, jeder Wendung, jedem Herumwirbeln in seinen Armen. Und das Beste überhaupt war, dass sie kein Wort sagte.
Die Musik packte ihn trotz der gelegentlichen Misstöne, die Musik und das Gewebe der Tanzschritte, und Erinnerungen durchströmten ihn, als sie so über den Tanzboden vor- und zurückglitten. In diesen Erinnerungen war er einen Kopf größer, hatte einen langen, goldenen Schnurrbart und blaue Augen. Er trug einen Kurzmantel aus bernsteinfarbener Seide mit einer roten Schärpe, Manschetten aus feinsten barsinischen Spitzen und Knöpfe aus gelben Saphiren auf der Brust, die aus Aramaelle stammten. Er tanzte mit einer dunkelhäutigen Schönheit, der Botschafterin der Atha’an Miere, des Meervolkes. An der dünnen Goldkette, die ihren Nasenring mit einem der vielen Ohrringe verband, hingen winzige Medaillons, die sie als Wogenherrin des Clans Schodin auswiesen. Es war ihm gleich, wie mächtig sie auch sein mochte; darüber sollte sich der König Gedanken machen. Einen Lord mittleren Ranges ging das nichts an. Sie war schön und lag federleicht in seinen Armen, und sie tanzten unter der großen Kristallkuppel des Hofes in Shaemal, in jener Zeit, als alle Welt neidisch auf die Pracht und die Macht Coremandas war. Andere Erinnerungen huschten am Rande vorbei und schlugen Funken aus diesem Tanz, den er so deutlich vor sich sah. Der nächste Morgen würde Nachrichten über sich ständig verstärkende Trolloc-Überfälle aus der Großen Fäule herausbringen, und einen Monat später würde sich die Nachricht verbreiten, dass Barsine mit seinen goldenen Türmchen zerstört und gebrandschatzt worden war und dass die Horden der Trollocs weiter nach Süden stürmten. So würde die Zeit beginnen, die man später als die Trolloc-Kriege bezeichnete, wenn auch anfangs niemand an diese Bezeichnung dachte: dreihundert Jahre und mehr ununterbrochener Kämpfe, Blut, Feuersbrünste und Ruin, bis man die Trollocs zurücktrieb und die Schattenlords einen nach dem anderen tötete. So würde der Fall von Coremanda seinen Anfang nehmen, trotz allen Reichtums und aller Macht, und der von Essenia mit seinen Philosophen und den berühmten Stätten des Lernens, der Fall von Manetheren und Eharon und allen anderen der Zehn Nationen, die trotz des letztendlichen Sieges zu Trümmern zerschmettert wurden, aus denen sich später neue Länder erhoben, Länder, in denen man der Zehn Nationen nur als bloße Mythen aus einer glücklicheren Zeit gedachte. Doch das lag in der Zukunft, und während er die Gegenwart und diesen Tanz genoss, verdrängte er die Gedanken daran. Heute Abend tanzte er den Tanz des Großen Musters mit …
Er blinzelte, weil ihn einen Augenblick lang der Sonnenschein überraschte, der durch die Fenster hereinfiel, und das helle, strahlende Gesicht unter einer glänzenden Schweißschicht, das zu ihm aufblickte. Beinahe wäre er bei den komplizierten Schritten mit Betses Füßen durcheinandergekommen, als sie so über den Boden wirbelten, doch er fing sich gerade so eben, bevor er sie auch noch ins Stolpern brachte. Zum Glück flogen ihm die Schritte ganz instinktiv zu. Dieser Tanz gehörte zu ihm, genau wie jene Erinnerungen, ob sie nun geborgt oder gestohlen waren, doch sie waren so übergangslos in seine eigenen, echten Erinnerungen verwoben, dass er ohne Nachzudenken keinen Unterschied mehr bemerkte. Jetzt waren es jedenfalls seine Erinnerungen, die Lücken in seinem Gedächtnis ausfüllten. Es war so, als habe er sie wirklich alle erlebt.
Es stimmte tatsächlich, was er ihr über die Narbe um seinen Hals gesagt hatte. Seines Wissens wegen aufgehängt, und gleichzeitig, weil er nicht genug wusste. Zweimal war er wie ein kompletter Narr durch ein Ter’angreal gegangen, wie ein Dorftrottel, der das für genauso problemlos hielt, wie über eine Wiese zu laufen. Nun, für fast genauso problemlos. Die Ergebnisse hatten ihn in seinem Misstrauen allem gegenüber, was mit der Einen Macht zu tun hatte, nur noch bestärkt. Beim ersten Mal hatte man ihm erklärt, es sei sein Schicksal, zu sterben und wieder zu neuem Leben zu erwachen,
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