Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
durchschauten. Auf jeden Fall bestanden sie häufig darauf, alles auf ihre eigene Art zu tun, und wenn es auch eine bessere Methode gab. Wer konnte das schon besser wissen als eine Aes Sedai?
Die sechs Aes Sedai waren aber wirklich Anfängerinnen in Tel’aran’rhiod , und ihre Kleidung veränderte sich jedes Mal, wenn Elayne nur hinblickte. Zuerst hatte eine von ihnen die bestickte Stola der Aes Sedai um die Schultern geschlungen, mit den Fransen in der jeweiligen Farbe ihrer Ajah und mit der weißen Flamme von Tar Valon wie eine herausleuchtende Träne auf dem Rücken, dann trugen plötzlich vier die Stola und dann keine einzige mehr. Manchmal hatten sie leichte Reiseumhänge auf dem Rücken, um den Staub hinter sich von ihnen abzuhalten, bei denen links auf der Brust und auf dem Rücken die Flamme aufgestickt war. Ihre alterslosen Gesichter zeigten natürlich keine Spur der Hitze, denn das war bei den Aes Sedai nie der Fall, aber auch kein Anzeichen dafür, dass ihnen dieser ständige Kleiderwechsel überhaupt bewusst war.
Sie sahen genauso verschwommen aus wie Nynaeve oder Leane. Sheriam und die anderen setzten mehr Vertrauen in Traum- Ter’angreale , für die man die Macht benutzen musste, als in die Ringe. Sie waren wohl einfach nicht gewillt, einzusehen, dass Tel’aran’rhiod nichts mit der Einen Macht zu tun hatte. Zumindest konnte Elayne nicht feststellen, ob eine von ihnen ihre Kopien benutzte. Drei von ihnen würden irgendwo am Körper jeweils eine kleine Scheibe aus einem Material, das einst Eisen gewesen war, bei sich tragen, in die man auf beiden Seiten eine enge Spirale eingraviert hatte und die man durch einen Strang aus Geist aktivierte, der einzigen der Fünf Mächte, die man im Schlaf lenken konnte. Überall, aber allerdings nicht hier. Die anderen drei hatten kleine Fibeln dabei, die einst aus Bernstein gefertigt worden waren. In jede hatte ihr Schöpfer eine schlafende Frau eingearbeitet. Und hätte Elayne auch alle sechs Ter’angreale vor sich liegen, sie wäre trotzdem nicht in der Lage, die beiden Originale wiederzuerkennen. Diese Kopien waren ihr sehr gut gelungen. Aber natürlich waren es immer noch Nachahmungen.
Als die Aes Sedai die Lehmstraße nebeneinander herunterschritten, hörte sie noch das Ende ihrer Unterhaltung, wenn sie auch nicht viel damit anfangen konnte, »… werden unsere Wahl missachten, Carlinya«, sagte Sheriam mit dem Flammenhaar gerade, »aber sie werden ohnehin jede Wahl missachten, die wir treffen. Wir brauchen deshalb unseren Beschluss nicht über den Haufen zu werfen. Es ist überflüssig, Euch noch einmal die Gründe aufzuzählen.«
Morvrin, eine kräftige Braune Schwester mit grau gesprenkeltem Haar, schnaubte. »Nachdem wir uns mit dem Saal solche Mühe gegeben haben, hätten wir Schwierigkeiten, wollten wir sie noch einmal umstimmen.«
»Solange jeder Herrscher uns ernst nimmt, kann uns das egal sein«, sagte Myrelle hitzig. Die jüngste der sechs, noch gar nicht so lange zur Aes Sedai erhoben, klang entschieden gereizt.
»Welcher Herrscher würde es denn wagen, uns nicht ernst zu nehmen?«, fragte Anaiya wie eine Frau, die fragt, welches Kind es wohl wagen mochte, Schmutz auf ihre Teppiche zu schleppen. »In jedem Fall weiß sowieso kein König oder keine Königin genug darüber, was unter uns Aes Sedai vorgeht, um die Lage zu durchschauen. Uns brauchen nur die Meinungen der Schwestern zu interessieren, aber nicht ihre.«
»Was mir Kopfzerbrechen bereitet«, erwiderte Carlinya kühl, »ist Folgendes: Wenn sie sich leicht von uns führen lässt, dann lässt sie sich vielleicht auch leicht von anderen führen.« Die blasse Weiße mit den fast kohlrabenschwarzen Augen war immer kühl, manche würden auch sagen, eisig.
Worüber sie da auch sprechen mochten, war es auf jeden Fall nichts, was sie vor Elayne oder den anderen austragen wollten. So schwiegen sie, kurz bevor sie die anderen erreichten.
Siuan und Leane reagierten auf die Neuankömmlinge, indem sie einander abrupt den Rücken zuwandten, als hätten sie sich gestritten und seien nur durch die Ankunft der Aes Sedai unterbrochen worden. Was Elayne betraf, überprüfte sie schnell noch ihre Kleidung. Es war das richtige weiße Kleid mit dem farbigen Saum. Sie war selbst nicht ganz glücklich darüber, dass sie ohne Nachdenken im richtigen Kleid erschienen war. Sie hätte wetten können, dass Nynaeve ihre Kleidung nach der Ankunft erst einmal abgeändert hatte. Aber Nynaeve war halt auch viel
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