Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
unerschrockener als sie und kämpfte ständig gegen Beschränkungen an, die sie bereits akzeptiert hatte. Wie konnte sie nur jemals Andor regieren? Falls ihre Mutter tot war. Falls.
Sheriam, ein wenig mollig und mit hohen Backenknochen, richtete ihre schräg stehenden grünen Augen auf Siuan und Leane. Einen Augenblick lang trug sie eine Stola mit blauen Fransen. »Wenn Ihr zwei nicht miteinander auskommen könnt, schwöre ich, dass ich Euch beide zu Tiana schicke.« Es klang, als habe sie das schon oft gesagt und stünde gar nicht mehr dahinter.
»Ihr habt doch lange genug zusammengearbeitet«, sagte Beonin in ihrem auffallenden Taraboner Dialekt. Sie war eine hübsche Graue, hatte sich das honigfarbene Haar zu einer Unmenge dünner Zöpfe geflochten, und ihre blaugrauen Augen blickten ständig überrascht drein. Dabei konnte fast nichts Beonin wirklich überraschen. Sie würde auch nicht glauben, dass die Sonne am Morgen aufgehe, wenn sie sich nicht selbst davon überzeugte, aber falls sie eines Morgens doch nicht auftauchte, würde Beonin nicht einmal mit der Wimper zucken, vermutete Elayne. Das würde lediglich bestätigen, dass sie recht daran getan hatte, Beweise zu fordern. »Ihr könnt und müsst wieder zusammenarbeiten.«
Bei Beonin klang das auch, als habe sie es so oft gesagt, dass es jetzt schon fast automatisch und ohne zu denken herauskam. Alle Aes Sedai hatten sich längst an Siuan und Leane gewöhnt. Sie hatten angefangen, die beiden wie zwei Mädchen zu behandeln, die mit dem Zanken nicht aufhören konnten. Aes Sedai hatten sowieso eine Neigung dazu, jede andere, die nicht zu ihnen gehörte, mehr oder weniger als Kind zu betrachten. Sogar diese beiden, die einst Schwestern gewesen waren.
»Schickt sie meinetwegen zu Tiana oder auch nicht«, fauchte Myrelle, »aber hört auf, darüber zu reden!« Elayne hatte nicht das Gefühl, die auf ihre dunkle Art schöne Frau rege sich über Siuan und Leane auf. Sie ärgerte sich wahrscheinlich gar nicht über irgendetwas oder irgendjemanden. Sie war einfach ziemlich launisch und fiel dadurch sogar unter den Grünen auf. Ihr goldgelbes Seidenkleid erhielt plötzlich einen Stehkragen, aber mit einem tiefen, ovalen Ausschnitt, der ihre Brustansätze gut sichtbar machte. Sie hatte nun auch ein recht auffallendes Kollier um den Hals: ein breites Silberband, an dem drei kleine Dolche hingen. Die Griffe hingen direkt zwischen ihren Brüsten. Ein vierter Dolch erschien plötzlich und war so schnell wieder verschwunden, dass es auch Einbildung gewesen sein konnte. Sie musterte Nynaeve von Kopf bis Fuß, als suche sie nach einem Ansatzpunkt für Kritik. »Gehen wir jetzt zur Burg oder nicht? Wenn wir das unternehmen wollen und uns nun schon hier befinden, könnten wir ja wirklich etwas Nützliches tun.«
Elayne wusste jetzt, worüber sich Myrelle ärgerte. Als sie und Nynaeve nach Salidar gekommen waren, hatten sie sich alle sieben Tage in Tel’aran’rhiod mit Egwene getroffen, um sich über das auszutauschen, was sie erfahren hatten. Das war ihnen nicht immer leichtgefallen, da Egwene grundsätzlich von mindestens einer Traumgängerin der Aiel begleitet wurde, in deren Ausbildung sie sich begeben hatte. Sich ohne eine oder zwei Weise Frauen zu treffen hatte große Mühe gekostet. Das war aber sowieso vorbei gewesen, nachdem sie nach Salidar kamen. Diese sechs Aes Sedai, Sheriam und ihre Ratsschwestern, hatten die Treffen übernommen, obwohl sie zu der Zeit nur die drei Ter’angreale selbst gehabt hatten und wenig Ahnung von Tel’aran’rhiod über das Wissen hinaus, wie man dorthin kam. Das war ausgerechnet auch noch zu der Zeit geschehen, als Egwene verwundet wurde, und so standen sich schließlich lediglich die Aes Sedai und die Weisen Frauen gegenüber, zwei Gruppen stolzer, resoluter Frauen, von denen jede der anderen misstraute, und natürlich war keine von beiden Gruppen bereit, auch nur eine Handbreit Bodens zurückzuweichen oder sich der anderen gar zu beugen.
Natürlich hatte Elayne keine Ahnung, was bei diesen Treffen vor sich ging, aber sie konnte es aus eigener Erfahrung ganz gut einschätzen, und dazu kamen noch ein paar Brocken, die Sheriam oder die anderen gelegentlich fallen ließen.
Die Aes Sedai waren sicher, alles in Erfahrung bringen zu können, sobald sie einmal wussten, wo sie etwas erfahren konnten, dazu forderten sie den gleichen Respekt, wie man ihn einer Königin gezollt hätte, und sie waren es gewohnt, dass man ihnen alles ohne
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