Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
die Härte vieler Kämpfe. Das Licht wusste, dass es wirklich genug Gründe dafür gab, aber konnte es nicht auch gleichzeitig an seinem Kampf um die geistige Gesundheit liegen?
Moiraine war tot, Siuan tot, die Weiße Burg gespalten, und Rand wahrscheinlich dem Wahnsinn nahe. Verin schnalzte gereizt mit der Zunge. Ging man Risiken ein, konnte es sein, dass die Rechnung dafür eingelöst werden musste, wenn man es am wenigsten erwartete, und in einer Art, die man ebenfalls nicht erwartete. Beinahe siebzig Jahre aufwendiger Vorarbeiten auf ihrer Seite, und nun war das alles eines jungen Mannes wegen infrage gestellt. Trotzdem; sie hatte zu lange gelebt, zu viel durchgemacht, um sich der Verzweiflung einfach hinzugeben.
Alles der Reihe nach; kümmere dich um die Dinge, die jetzt erledigt werden können, und mache dir nicht zu viele Gedanken über Sachen, die vielleicht niemals geschehen werden. Diese Lehre hatte sie in ihrem Leben schon einige Male befolgt, und sie hatte sich das zu Herzen genommen.
Das Wichtigste war, zunächst einmal die jungen Frauen zu beruhigen. Sie drückten sich noch immer wie eine Herde von Schafen aneinander, weinten, klammerten sich fest und verbargen die Gesichter. Sie verstand das recht gut. Für sie war es nicht das erste Mal, dass sie einem Mann gegenübergestanden hatte, der die Macht gebrauchen konnte, und der noch dazu der Wiedergeborene Drache selbst war, und trotzdem hatte sie ein Gefühl im Magen, als befinde sie sich auf einem Schiff bei schwerem Seegang. Sie redete beruhigend auf die Mädchen ein, tätschelte hier eine Schulter, strich dort über das Haar und bemühte sich, ihre Stimme mütterlich klingen zu lassen. Ihnen erst einmal beizubringen, dass Rand weg war, was in den meisten Fällen auch bedeutete, dass sie die Augen wieder öffneten, tat viel dazu, sie einigermaßen zu beruhigen. Wenigstens hörte das Schluchzen auf. Aber Janacy verlangte andauernd mit durchdringender Stimme, man solle ihr erklären, dass Rand gelogen habe, dass alles ein Trick gewesen sei, während Bodewhin genauso schrill forderte, man solle ihren Bruder suchen und retten. Verin hätte auch viel dafür gegeben, zu wissen, wo sich Mat befand. Und Larine sprudelte heraus, sie sollten sofort Caemlyn verlassen, auf dem Fuße.
Verin zog eine der Serviererinnen zur Seite. Die Frau mit dem Durchschnittsgesicht war mindestens zwanzig Jahre älter als die Mädchen von den Zwei Flüssen, doch auch sie hatte die Augen weit aufgerissen, wischte sich mit dem Schürzenzipfel Tränen vom Gesicht und bebte noch immer. Nachdem sie die Frau nach ihrem Namen gefragt hatte, sagte Verin: »Bringt ihnen allen schönen, frisch gebrühten Tee, Azril, heiß und mit viel Honig, und kippt ein wenig Brandy hinein.« Sie musterte die jüngere Frau einen Moment lang nachdenklich und fügte dann hinzu: »Mehr als nur ein wenig. Ein ordentlicher Schuss für jede.« Das sollte helfen, ihre Nerven zu beruhigen. »Ihr und die anderen Bedienungen könnt Euch auch etwas einschenken.« Azril schniefte, blinzelte und wischte sich übers Gesicht, doch sie knickste, denn an ihre Pflichten erinnert zu werden, schien ihren Tränenfluss einzudämmen, wenn nicht gar ihre Angst.
»Bringt ihnen den Tee auf die Zimmer«, sagte Alanna, und Verin nickte zustimmend. Ein bisschen Schlaf würde Wunder bewirken. Sie waren erst vor wenigen Stunden aufgestanden, aber die Anstrengung der Reise und noch dazu der Brandy würden dafür sorgen, dass sie schlafen konnten.
Der Auftrag löste Proteste aus.
»Wir können uns nicht hier verstecken«, brachte Larine zwischen Schniefen und Schluckauf heraus. »Wir müssen jetzt weg! Jetzt! Er wird uns umbringen!«
Bodewhins Wangen glitzerten feucht, doch ihr Gesicht hatte einen entschlossenen Ausdruck angenommen. Diese für die Bewohner der Zwei Flüsse typische Sturheit würde noch mehr als eine der jungen Frauen in Schwierigkeiten bringen. »Wir müssen Mat finden. Wir können ihn nicht bei einem Mann lassen … bei einem Mann, der … Das können wir nicht! Selbst wenn es Rand ist, können wir das nicht!«
»Ich will Caemlyn sehen«, quiekte Janacy, obwohl sie noch immer zitterte.
Nun mischte sich auch der Rest in die Debatte ein. Eine Handvoll unterstützten trotz aller Angst mit leicht zittrigen Stimmen Janacys Wunsch, die Mehrheit verlangte jedoch leidenschaftlich die sofortige Abreise. Eine der jungen Frauen aus Wachhügel, ein großes, hübsches Mädchen namens Elle mit recht hellen Haaren für die
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