Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Sedai gesprochen hast. Aber was ich nicht wusste, war, dass du ein solch blinder Narr geworden bist!«
Bodes Lachen klang eher entsetzt als amüsiert. »Solche Sachen solltest du nicht mal im Scherz sagen, Rand. Tam hat dich doch wohl besser erzogen. Du bist Rand al’Thor. Jetzt hör mit diesem Quatsch auf!«
Rand al’Thor. So hieß er wohl, aber er wusste kaum mehr, wer er war. Tam al’Thor hatte ihn aufgezogen, doch sein wirklicher Vater war ein Aielhäuptling gewesen, der schon lange nicht mehr am Leben war. Seine Mutter war eine Tochter des Speers gewesen, aber keine Aielfrau. Und das war auch schon so ziemlich alles, was er von seiner Herkunft wusste.
Saidin erfüllte ihn nach wie vor. Sanft hüllte er Bode und Larine in Stränge aus Luft und hob sie an, bis ihre Schuhe einen Fuß hoch über dem Boden baumelten. »Ich bin der Wiedergeborene Drache. Es zu leugnen, würde nichts ändern. Wunschdenken vermag nichts daran ändern. Ich bin nicht mehr der Mann, den ihr aus Emondsfelde kennt. Versteht ihr jetzt?« Ihm wurde bewusst, dass er sie anschrie, und so klappte er den Mund zu. Sein Magen fühlte sich wie Blei an, und er zitterte. Warum hatte Alanna so etwas getan? Welche neue Aes-Sedai-Intrige schlummerte hinter diesem hübschen Gesicht? Vertraue keiner von ihnen, hatte Moiraine gesagt.
Eine Hand berührte seinen Arm, und sein Kopf fuhr herum.
»Bitte lasst sie herunter«, sagte Alanna. »Bitte. Sie fürchten sich.«
Es war mehr als nur bloße Furcht. Aus Larines Gesicht schien alles Blut gewichen zu sein und ihr Mund stand so weit offen, wie es nur ging, als wolle sie schreien und habe vergessen, wie. Bode schluchzte so sehr, dass sie am ganzen Körper bebte. Sie waren nicht die Einzigen. Der Rest der Mädchen von den Zwei Flüssen drückte sich so weit wie möglich von ihm entfernt aneinander, und die meisten von ihnen weinten ebenfalls. Auch die Serviererinnen befanden sich in dieser eng gedrängten Gruppe, und sie weinten genauso heftig wie alle dort. Der Wirt war auf die Knie niedergesunken, brachte nur erstickte Laute hervor, und seine Augen quollen heraus.
Rand ließ die beiden Mädchen heruntersinken, und dann ließ er hastig Saidin fahren. »Es tut mir leid. Ich wollte euch nicht erschrecken.« Sobald sie sich rühren konnten, flohen Bode und Larine zu den anderen Mädchen und in deren tröstende Umarmung. »Bode? Larine? Es tut mir leid. Ich werde euch nichts tun, das verspreche ich.« Sie sahen ihn nicht an. Keine von ihnen. Sulin allerdings blickte ihn an, und auch die anderen Töchter. Ihre Mienen waren nichtssagend, ihre Blicke jedoch missbilligend.
»Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte Bashere und stellte seinen Krug ab. »Wer weiß? Vielleicht war es gut so.«
Rand nickte bedächtig. Gut möglich. Am besten hielten sie sich von ihm fern. Es war besser für sie. Er wünschte sich nur, er hätte noch eine Weile länger über ihre Heimat sprechen können. Noch eine Weile, in der sie ihn nur als Rand al’Thor angesehen hätten. Seine Knie zitterten noch immer von Alannas Prozedur her, aber sobald er sich in Bewegung gesetzt hatte, blieb er nicht stehen, bis er sich schließlich auf Jeade’ens Sattel schwang. Es war am besten, dass sie sich vor ihm fürchteten. Am besten, dass er die Zwei Flüsse vergaß. Er fragte sich, ob dieser Berg auch einmal leichter werde, oder ob sein Gewicht weiter zunahm.
KAPITEL 11
Lehrende und Lernende
K aum war Rand aus der Tür, als Verin lang gezogen ausatmete. Sie hatte die Luft angehalten. Einst hatte sie Siuan und Moiraine gegenüber betont, wie gefährlich er sei. Keine von beiden hatte auf sie gehört, und nun, nachdem wenig mehr als ein Jahr vorüber war, war Siuan einer Dämpfung unterzogen und möglicherweise tot, während Moiraine … Auf den Straßen hörte man pausenlos Gerüchte über den Aufenthalt des Wiedergeborenen Drachen im Königlichen Palast, das meiste davon völlig unglaublich, und von den glaubhaften erwähnte keines eine Aes Sedai. Moiraine hatte vielleicht geplant, ihn glauben zu machen, er habe Entscheidungsfreiheit und könne seinen eigenen Weg gehen, doch sie würde ihm nie gestatten, sich allzu weit von ihr zu entfernen, erst recht nicht jetzt, da er zu solcher Machtfülle aufgestiegen war. Nicht jetzt, da die Gefahr, die er darstellte, derart groß geworden war. Hatte Rand sie ebenfalls bestürmt, doch heftiger als gerade eben bei ihnen? Er war gealtert, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte, und sein Gesicht zeigte
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