Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
hatten uns überlegt, Euch zu unserem nächsten Zusammentreffen mit den anderen Aes Sedai mitkommen zu lassen, weil sie jedes Mal nach Euch fragen …«
»Und sich jedes Mal wie die typischen Feuchtländer lächerlich machen«, warf Amys bissig ein. Sie war keineswegs eine gehässige Frau, aber die Aes Sedai in Salidar hielten sie bestimmt für eine. Vielleicht lag es nur an diesen Zusammentreffen mit Aes Sedai. Ihrer Sitte entsprechend mieden die Weisen Frauen solche Treffen, besonders diejenigen, die mit der Macht umgehen konnten, so wie Amys und Melaine. Außerdem ärgerte es sie, dass die Aes Sedai Nynaeve und Elayne bei ihren Treffen verdrängt hatten. Egwene passte das ebenfalls nicht. Sie vermutete, die Weisen Frauen hätten die beiden durch die Betonung der Gefahren in Tel’aran’rhiod abgeschreckt. Den Bruchstücken der Inhalte solcher Treffen nach zu schließen, die sie mittlerweile erfahren hatte, waren die Aes Sedai aber keineswegs eingeschüchtert. Es gab nicht viel, was Aes Sedai abschrecken konnte.
»Wir müssen wohl noch einmal alles überdenken«, fuhr Melaine gelassen fort. Vor ihrer kürzlichen Heirat war sie reizbar wie eine Löwenmutter gewesen, doch mittlerweile schien sie nichts aus der Ruhe bringen zu können. »Ihr dürft nicht in den Traum zurückkehren, bevor Euer Körper nicht wieder seine vollen Kräfte erlangt hat.«
»Ihr habt Ringe um die Augen«, sagte Bair mit besorgter, dünner Stimme, die zu ihrem Gesicht passte. In vielerlei Hinsicht jedoch war gerade sie die härteste der drei. »Habt Ihr schlecht geschlafen?«
»Wie könnte sie auch gut geschlafen haben?«, fragte Amys mürrisch. »Dreimal habe ich letzte Nacht versucht, in ihre Träume zu blicken, und jedes Mal habe ich nichts vorgefunden. Keine kann gut schlafen, wenn sie nichts träumt.«
Egwene trocknete schlagartig der Mund aus, und die Zunge klebte ihr am Gaumen. Sie mussten ausgerechnet in der einzigen Nacht nach ihr sehen, in der sie nur ein paar Stunden lang nicht in ihrem Körper zugegen war.
Melaine runzelte die Stirn. Sie sah nicht Egwene an, sondern Cowinde, die immer noch mit gesenktem Kopf am Fuße der Bettstatt kauerte. »Neben meinem Zelt ist ein Sandhaufen aufgetürmt«, sagte sie in beinahe so scharfem Tonfall wie früher. »Ihr untersucht ihn Sandkorn für Sandkorn, bis Ihr ein rotes Korn findet. Falls es nicht das richtige ist, nach dem ich suche, werdet Ihr von Neuem beginnen. Geht jetzt.« Cowinde verbeugte sich lediglich, bis ihr Gesicht die bunten Teppiche berührte, dann hastete sie hinaus, Melaine sah Egwene an und lächelte freundlich. »Ihr scheint überrascht. Wenn sie nicht von allein tut, was sich schickt, muss ich sie eben zwingen, sich für den richtigen Weg zu entscheiden. Da sie nach wie vor behauptet, mir zu dienen, untersteht sie auch noch meiner Verantwortung.«
Bairs langes Haar flog, als sie den Kopf schüttelte. »Es wird nicht wirken.« Sie rückte das Schultertuch auf ihren knochigen Schultern zurecht. Egwene kam in ihrem dünnen Nachthemd ins Schwitzen, obwohl die Sonne noch gar nicht richtig am Himmel stand, doch die Aiel waren ganz anderes gewöhnt. »Ich habe Juric und Beira verprügelt, bis mein Arm zu müde war, um weiterzumachen, aber so oft ich ihnen auch befehle, das Weiß abzulegen: vor dem Sonnenuntergang haben sie ihre Roben wieder an.«
»Es ist wie ein Fluch«, knurrte Amys. »Seit wir in die Feuchtländer kamen, hat sich ein ganzes Viertel all jener, deren Zeit vorüber ist, geweigert, zu ihren Septen zurückzukehren. Sie verdrehen Ji’e’toh und seine Bedeutung.«
Das war Rands Schuld. Er hatte allen das enthüllt, was zuvor nur die Clanhäuptlinge und die Weisen Frauen gewusst hatten: einst hatten alle Aiel gelobt, keine Waffe mehr zu berühren und keine Gewalt zu gebrauchen. Nun glaubten viele, dass sie eigentlich alle als Gai’shain dienen müssten. Andere wieder weigerten sich deshalb, Rand als den Car’a’carn anzuerkennen, und noch weitere liefen täglich weg und schlossen sich den Shaido an, die sich in den Bergen weiter nördlich aufhielten. Ein paar warfen auch einfach die Waffen weg und verschwanden. Niemand wusste, was aus ihnen wurde. Sie waren von der ›Trostlosigkeit‹ erfasst worden, wie es die Aiel bezeichneten. Das Seltsamste daran, jedenfalls für Egwene, war die Tatsache, dass niemand unter den Aiel – bis auf die Shaido natürlich – Rand die Schuld daran gab. Die Prophezeiung von Rhuidean besagte, der Car’a’carn werde sie
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